IG Metall Pforzheim stellt sich neu auf

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17.09.2020 Liane Papaioannou mit überwältigender Mehrheit als erste Bevollmächtigte der IG Metall Pforzheim wiedergewählt - Martin Kolb bleibt zweiter Bevollmächtigter

Die 61 anwesenden Delegierten aus den Betrieben bestätigten Liane Papaioannou mit 95,1% der Stimmen an der Spitze der Pforzheimer IG Metall. Bei der Delegiertenversammlung, die unter strengen Hygiene- und Abstandsregeln im Ameliussaal in Niefern stattfand, wurde Martin Kolb in seinem Amt als zweiter Bevollmächtigter ebenfalls mit einer eindrucksvollen Mehrheit von 96,7% der Stimmen bestätigt.

Vorausgegangen war das Resümee der Arbeit der letzten vier Jahre, sowie die aktuelle Situation in den Betrieben in Pforzheim und dem Enzkreis. Dem schriftlich vorliegenden Geschäftsbericht ist zu entnehmen, dass die IG Metall Pforzheim die Mitgliederzahl von 9227 im Jahr 2016 auf 9664 im Jahr 2019 steigern konnte.

Besonders viele neue Mitglieder hat die IG Metall Pforzheim in diesen Jahren nach eigenen Angaben bei den Beschäftigten der Firmen Mahle Behr, Witzenmann, Inovan, G. Rau, Karl Klink, Heckler, Münch und Weber gewinnen können.

Aktuell kann die IG Metall Pforzheim auf die 9737 Mitglieder verweisen.

"Maßgeblich dazu beigetragen habe der Geschäftsstellenprozess - 'WIR gestalten Zukunft!" den das Team der IG Metall Pforzheim gemeinsam mit den Kollegen Habermaass und Stegmeyer vom 'Gemeinsamen Erschließungsprojekt" der IG Metall Bezirksleitung konzipiert haben. Hier wurde in vielen Betrieben ein umfangreicher Kommunikationsprozess mit den Belegschaften zu den im Betrieb dringendsten Problemen begonnen und Beteiligung gestärkt", erläutert Liane Papaioannou.

Auch die Finanzentwicklung sei im Berichtszeitraum positiv verlaufen, so die Gewerkschaft.

Gewechselt hat während der Amtsperiode die Spitze der IG Metall Pforzheim von Martin Kunzmann, der der Organisation in Pforzheim 25 Jahre vorstand und zum Vorsitzenden des DGB Baden-Württemberg gewählt wurde, zu Liane Papaioannou, die ihm im Jahr 2017 im Amt nachfolgte.

"Das System der deutschen Mitbestimmung, welches in diesem Jahr sein 100jähriges Jubiläum feiert, ist eine der Säulen unserer Demokratie. Diese gelte es weiter auszubauen und zu stärken", erklärte Papaioannou nach ihrer erstmaligen Wahl zur 1. Bevollmächtigten im Jahr 2017. Dies bedeute für sie ganz konkret in Betrieben, in denen es noch keine Betriebsräte gibt, die Beschäftigten zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam Strukturen aufzubauen, um Betriebsratswahlen durchzuführen.

Dies ist der IG Metall in den letzten vier Jahren auch gelungen. 2016 wurde erstmals ein Betriebsrat bei den Firmen Laco in Pforzheim und Sonotronic Nagel in Ittersbach gewählt, 2017 waren erstmals Wahlen bei Linxens in Niefern und Single Distribution in Pforzheim, 2018 dann wurden in 77 Betrieben die Betriebsräte turnusmäßig neu gewählt. Erstmals darunter war die Firma Euroavionics in Pforzheim. 2019 wurde dann erstmals ein Betriebsrat bei der Firma Gebr. Maissenbacher in Pforzheim gewählt, während der Versuch bei IMO in Königsbach Stein, einen Betriebsrat zu wählen, gescheitert ist. Dort wurde nur ein so genannter "Vertrauensrat" gewählt, der keinerlei Rechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz hat.

Im Frühjahr 2020 wurde dann erstmals ein Betriebsrat bei Kiehnhöfer & Scheufele gewählt. Auch dort war 18 Jahre zuvor schon einmal eine Wahl gescheitert. Was Kai Müller von der IG Metall Pforzheim zuversichtlich stimmt, dass es auch bei IMO in Königsbach auf mittlere Sicht noch zu einer Betriebsratswahl kommt.

Die rund 150 neugewählten Betriebsräte mussten natürlich auch umfassend geschult werden, was nach jeder Wahl eine Herausforderung für die Referentinnen und Referenten der IG Metall darstellt, die bewältigt werden muss.

In Sachen Tarifpolitik blickt die IG Metall ebenfalls auf 4 erfolgreiche Jahre zurück. Genügten 2016 noch massive Warnstreiks, um in der Metall- und Elektroindustrie, neben Einmalzahlungen, Tariferhöhungen von 2,8% und 2,0 % für 2017 durchzusetzen, waren 2018 neben noch massiveren Warnstreiks zusätzlich 24 Stunden-Streiks notwendig, um eine satte Entgelterhöhung von 4,3% in 2018 und ein Tarifliches Zusatzgeld von 27,5% und 400 Euro ab dem Jahr 2019 durchzusetzen.

Ein weiterer Meilenstein in der Tarifgeschichte wurde neben der Möglichkeit einer verkürzten Vollzeit auf 28 Stunden mit der Wahlmöglichkeit von zusätzlich 8 freien Tagen für durch Schichtarbeit, Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen belastete Beschäftigte geschrieben.

Die anschließende Edelmetalltarifrunde begann mit einem Paukenschlag: Die Firma G. Rau kündigte die Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft des Bundesverband Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien e.V.. Eine ungeheure Welle der Solidarität, Warnstreiks und Kundgebungen in einem in dieser Branche noch nicht gekannten Ausmaß, Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen der IG Metall Baden-Württemberg und eine deutliche Steigerung der Zahl der IG Metall Mitglieder in den Edelmetallbetrieben sorgte am Ende der Tarifrunde dafür, dass in der Branche das Ergebnis der Metall- und Elektroindustrie im Wesentlichen übernommen und mit der Firma G. Rau ein Anerkennungstarifvertrag abgeschlossen werden konnte.

Auch in weiteren Branchen, darunter allen voran das KFZ Handwerk, konnten ebenso deutliche Lohnsteigerungen durchgesetzt werden, wie bei zahlreichen betrieblichen Tarifverhandlungen.

Die Geschäftsleitung von WISI ließ über ihren Rechtsanwalt 2019 erklären, dass die Tarifverträge nicht gelten würden und stellte die Zahlung des tariflichen Zusatzgelds ein. Entsprechende gerichtliche Verfahren sind bereits anhängig.

Das 125 jährige Jubiläum der IG Metall im Jahr 2016 beging die Pforzheimer IG Metall mit einem wahren Feuerwerk an Veranstaltungen. Beginnend mit dem Familienfest im Juli mit rund 200 Mitgliedern und Kultur im Zelt in Ispringen, der Veröffentlichung des Buchs "Gegen den Strom und immer flussaufwärts", der Fotoausstellung "Wo Ideen zu Produkten werden" welche in Pforzheim, Mühlacker, Stuttgart und Lohr a. Main gezeigt wurde, den Empfang beim Oberbürgermeister der Stadt Pforzheim und einer Sonderveröffentlichung in der PZ zum Jubiläum, bis hin zum Festakt im Oktober, bei dem die 2. Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, im CCP die Festrede hielt.

Gleich im darauffolgenden Jahr stand dann das 250 jährige Jubiläum der Pforzheimer Schmuckindustrie an, zu dem die IG Metall mit einem gelungenen Kongress bei der Firma Admedes mit viel Prominenz den Blick in die Zukunft gerichtet hat. Gekommen waren neben OB Boch, dem Hausherr bei Admedes, Herr Dr. Pfrommer, der Institutsleiter des Frauenhofer IAO, Prof. Dr. Wilhelm Bauer, der 1. Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, die Geschäftsführerin der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, Martina Lehmann, zu Vorträgen und einer Podiumsdiskussion, welche von der Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Pforzheim, Liane Papaioannou, moderiert wurde. Den Schlusspunkt der Veranstaltung setzte dann Martin Kunzmann bereits in seiner neuen Funktion als Vorsitzender der DGB Baden- Württemberg.

Seit Frühjahr 2020 steht die Coronapandemie und die Auswirkungen auf die Arbeitswelt im Zentrum der Arbeit der IG Metall.

Schlagartig mussten sowohl die IG Metall Beschäftigten, ganze Belegschaften als auch die Betriebsräte teilweise auf Homeoffice umschalten, um die Ansteckungsketten zu unterbrechen. Und plötzlich ging in Lichtgeschwindigkeit, was zuvor nicht einmal im Schneckentempo vorangeht. Videokonferenzen in hoher Taktung, Onlineseminare für Gewerkschaftssekretär*innen, Vertrauensleute und Betriebsräte sind bereits zur neuen Normalität geworden.

Der Arbeits-, Gesundheits- und nun auch der Infektionsschutz rückten schnell ins Zentrum, um auch die Produktionsbereiche sicher zu machen. Dass ein Desaster wie bei Fleischmüller in den Metallbetrieben ausblieb, ist nicht zuletzt den vielen engagierten Betriebsräten zu verdanken, die ihr Mitbestimmungsrecht nutzten, um die Beschäftigten zu schützen. Technische Veränderungen, Spuckschutz, mehr Abstand, Coronaschichten, um die Beschäftigten zu trennen, und nicht zuletzt die Ausgabe von Masken, dort wo technisch nichts machbar war, musste organisiert und umgesetzt werden.

Auf der politischen Ebene wurde die IG Metall schnell aktiv und konnte viele ihrer Forderungen zumindest teilweise durchsetzen: Freistellungmöglichkeiten für Kindererziehung und Bezahlung nach dem Infektionsschutzgesetz, niedrige Einstiegsschwellen für die Beantragung für Kurzarbeit, Aussetzen der Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitgeber, damit diese die Kurzarbeit zur Beschäftigungssicherung auch nutzen und nicht wegen zu hoher Kosten ablehnen. Und nicht zuletzt die Anhebung des Kurzarbeitergelds um 10% bzw. 20% für Beschäftigte, die länger als 4 bzw. 7 Monate Kurzarbeiten bei einem Umfang der Kurzarbeit über 50%. Auch die erst kürzlich in der Koalition verabredete Verlängerung dieser Regelungen bis Ende 2021 ging maßgeblich auf die Initiative der IG Metall zurück.

Insbesondere für die Stabilisierung der Automobilindustrie und ihre Zulieferer gibt es ebenfalls auf Anregung der IG Metall eine erhöhte Kaufprämie für Batterieelektrische KFZ sowie Plug-In Hybride. Weiter fließen in den nächsten Jahren Milliardeninvestitionen in die Ladeinfrastruktur und sollen den Wandel der Antriebskonzepte beschleunigen.

Mit dem nächsten Investitionsprogramm soll zur Beschleunigung der Digitalisierung der Ausbau des 5G Netzes vorangetrieben werden, der auch die Voraussetzung für das Autonome Fahren ist.

Die IG Metall hat Vieles geleistet, Sowohl mit dem Sozialtarifvertrag zur Stabilisierung der Beschäftigung für 2020 in der Durchsetzung gegenüber der Regierung und in den Betrieben.

In den nächsten Wochen und Monaten wird es darum gehen die vorhandenen Instrumente zu nutzen, um Beschäftigung in den Betrieben weiter zu halten, Entlassungen zu verhindern und Sparpläne auf ein Minimum zu reduzieren.

Weitere von der IG Metall vorgeschlagene Instrumente sind der Transformationsfond zur besseren finanziellen Ausstattung der Automobilzulieferer und Investitionen, die den Umbau hin zur klimaschonenden Mobilität ermöglichen. Für Unternehmen, deren Perspektive und Geschäftsfeld mit zunehmender Dauer der Transformation schwinden, hat die IG Metall zudem die Idee einer Best Owner Group (BOG) entwickelt. Dieses Beteiligungsmodell richtet sich an Zulieferer für Verbrennungsmotortechnik, die durch die Transformation unter Druck geraten.

Damit soll verhindert werden, dass nicht noch weitere Automobilzulieferer-Firmen wie Weber Automotive, Sihn, Rehm, die bereits in 2019 pleite waren, in die Insolvenz folgen.

Den Technologischen Wandel gestalten und durch passende Aus-, Fort und Weiterbildung dafür sorgen, dass die Menschen dabei nicht auf der Strecke bleiben, sei die Voraussetzung dafür, dass die Menschen sich nicht Populisten aus der rechten Ecke zuwenden, sondern in eine für sie gute Zukunft schauen können. Um die Menschen an den Diskussionen zu beteiligen, führt die IG Metall nach der größten Beschäftigtenbefragung 2017 in den nächsten Tagen und Wochen eine weitere solche Befragung durch. Im Jahre 2020 natürlich digital.

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Delegiertenversammlung vom 17.September 2020

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Delegiertenversammlung vom 17.September 2020

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Delegiertenversammlung vom 17.September 2020

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Geschäftsbericht der IG Metall Pforzheim 2016 - 2019

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Letzte Änderung: 17.09.2020