Gewerkschaftswerbung im Betrieb

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06.01.2021 Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Keine Abmahnung wegen Mitgliederwerbung für die Gewerkschaft während der Arbeitszeit

Ein Betriebsratsvorsitzender eines Unternehmens händigte während der Arbeitszeit einem Arbeitskollegen ein Infoblatt der von ihm vertretenen Gewerkschaft aus. Der Arbeitgeber wertete dies als Mitgliederwerbung, die er während der Dienstzeit nicht hinnehmen wollte. Er erteilte dem Gewerkschaftler daraufhin eine Abmahnung.

Der Rechtsstreit über die Beseitigung der Abmahnung aus der Personalakte ging bis vor das Bundesverfassungsgericht, das sich gegen die Rechtsauffassung des Unternehmens aussprach. Es wurde damit höchstrichterlich festgestellt, dass das Verhalten des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden ist, d.h. nicht als Vertragsverletzung angesehen werden darf, weil das Verhalten in den Schutzbereich des Grundgesetzes fällt.

Zu dem im Grundgesetz ( Artikel 9 Absatz 3 GG ) verankerten Grundrecht der Koalitionsfreiheit gehört laut BVerfG neben der Freiheit, eine Vereinigung zu bilden, ihr beizutreten oder auch ihr fernzubleiben das Recht, Vereinigungen in ihrem Bestand zu wahren und zu fördern. Dazu gehört nach Auffassung der obersten Verfassungsrichter auch das Recht, Mitglieder zu werben und damit die Grundlage für die Erfüllung der eigentlichen Aufgaben und dem Fortbestand der Gewerkschaften zu sichern.

Nach dieser Entscheidung haben Arbeitgeber derartige Werbetätigkeit ihres Betriebsrates oder sonstiger Gewerkschaftsmitglieder auch während der Arbeitszeit zu dulden.

Siehe Beschluss des BVerfG vom 14.11.1995 1 BvR 601/92 RdW 1996, 406

AG Brandenburg zur eMail-Nutzung
Siehe auch Linkliste unten: Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg zur eMail-Nutzung für Gewerkschaftswerbung v. 1.12.2004 - siehe besonders Seite 11 unten und Seite 12 oben.

Ein gutes Stück Deutschland

Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. ... Sofern sich das beklagte Unternehmer darauf beruft, dass der klagende Arbeitnehmer gegen die bestehende Arbeitsordnung und die darin geregelte Interentnutzung verstieß, sei anzumerken, dass Arbeitsordnungen oder andere Betriebsvereinbarungen nicht in der Lage sind, gewerkschaftliche Betätigungsrechte im Betrieb zu regeln. Dies gilt auch dann, wenn die Einschränkung nur eine mittelbare oder verdeckte ist, weil etwa jede private Nutzung des Internets oder jede arbeitsfremde Information oder jede Werbung verboten sei. Betriebsrat und Arbeitgeber würden sich in einem solchen Fall zu Lasten eines Dritten einigen, was nach geltendem Recht nicht möglich ist. Selbst wenn von einer Zulässigkeit des Eingriffs ausgegangen würde, so ist vorliegend zu beachten, dass der Kläger das Internet nicht für private, sondern für gewerkschaftliche Zwecke nutzte, die durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz geschützt sind. ...

Letzte Änderung: 03.01.2021