Vom Homeoffice zurück ins Büro ?

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01.06.2020 Rückkehr vom Homeoffice ins Büro trotz Corona: Was darf der Chef verlangen?

Was Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wissen müssen

In der Corona-Krise arbeiten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Bürotätigkeiten im Homeoffice. Jetzt steht in vielen Firmen die Entscheidung an: Wann kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder in den Betrieb, zurück ins Büro vor Ort? Viele fragen sich: Was dürfen Chef oder Chefin verlangen? Und welche Corona-Schutzmaßnahmen sind zu beachten?

Ein Hinweis vorab: Auch wenn aktuell viele Corona-Beschränkungen wieder gelockert werden, ist es definitiv zu früh von einer Zeit "nach Corona" zu sprechen. In der Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts (RKI) heißt es weiterhin (Stand: 26. Mai 2020): "Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation." Arbeitsschutz hat im Betrieb Priorität.

Kann der Arbeitgeber Beschäftigte zwingen, vom Corona-Homeoffice ins Büro zurückzukehren?
Das hängt davon ab, was zu Arbeit im Homeoffice vereinbart wurde (ob während oder bereits vor der Covid-19-Pandemie). Generell gilt: Der Arbeitgeber darf das Arbeiten von Zuhause weder einseitig anweisen, noch darf er ohne entsprechende Grundlage eine Vereinbarung zum Homeoffice - sofern es eine gab - einfach beenden. Er muss sich bei einer getroffenen Vereinbarung nach den Regeln, Fristen und Bedingungen richten, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Beispiel in einer Betriebsvereinbarung festgehalten worden sind.

"Was nicht geht, ist die vollkommene Willkür und der Wildwuchs, den es durch die Corona-Pandemie beim Homeoffice auch gegeben hat und immer noch gibt" sagt Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Neben betrieblichen Regelungen (zum Beispiel einer Betriebsvereinbarung zum Homeoffice) seien deshalb künftig auch gesetzliche Regeln wichtig. "Wir erwarten, dass das Gesetz zu einem Recht auf Homeoffice wie angekündigt im Herbst kommt und klare Regeln zum Schutz der Beschäftigten und gegen die gefährliche Entgrenzung der Arbeit im Homeoffice schafft", sagt Anja Piel.

Gilt bei der Rückkehr vom Corona-Homeoffice ins Büro für alle dasselbe? Was ist mit Risikogruppen?
Gegenüber besonders schutzbedürftigen Beschäftigten haben Arbeitgeber eine gesteigerte Fürsorgepflicht und müssen unter Umständen auch besondere Vorkehrungen treffen. Aufgrund ihrer generellen Fürsorgepflicht und der Vorgaben des Arbeitsschutzes, aber auch im betrieblichen Interesse müssen Arbeitgeber dafür sorgen, dass Beschäftigte ihre Arbeit ohne Ansteckungsrisiko erledigen können (ob bei Covid-19 oder anderen Krankheiten). Weil Unternehmen, Tätigkeiten und Arbeitsumfelder aber sehr unterschiedlich sind, gibt es beim Arbeitsschutz aber keine Standard-Lösung. Die Betriebe brauchen deshalb individuelle Arbeitsschutzkonzepte. Solche Konzepte müssen im Zusammenspiel mit dem Betriebs- oder Personalrat, den Betriebsärzten und den für die Arbeitssicherheit zuständigen Personen verabschiedet werden.

"Da sehen wir jetzt im akuten Fall auch Mängel durch die Versäumnisse beim Arbeitsschutz in den letzten Jahren, auf die die Gewerkschaften immer wieder nachdrücklich hingewiesen haben", sagt Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Welche Rechte hat der Betriebsrat bei der Rückkehr von Beschäftigten aus dem Homeoffice in den Betrieb / ins Büro?
Im Optimalfall existiert eine Betriebsvereinbarung, die die Verfahren bei Homeoffice genau regelt. Wenn der Arbeitgeber die Beschäftigten aus dem Homeoffice zurückholen will​, muss er auf jeden Fall ​die Beteiligungsrechte des Betriebsrats berücksichtigen und die vereinbarten Regelungen aus einer Betriebsvereinbarung einhalten​, sofern dazu eine abgeschlossen wurde.

Zum Hintergrund
Prinzipiell hat der Betriebsrat dieselben Rechte wie bei der Einführung von Arbeit im Homeoffice (Telearbeit). Das bedeutet, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 BetrVG, und zwar nach Abs. 1 (Ordnung des Betriebs und Verhalten der Arbeitnehmer*innen), Abs. 2 und 3 (Arbeitszeit) und Abs. 7 (Gesundheitsschutz) sowie nach § 111 (Betriebsänderungen), und zwar wegen Verlegung des Betriebs bzw. Arbeitsortes nach Satz 3 Nr. 2, Nr. 4 (Änderung der Betriebsorganisation) oder Nr. 5 (neue Arbeitsmethoden) und schließlich nach § 99 Abs. 1 i.V.m. § 95 Abs. 3 BetrVG (Versetzung) in Betracht kommen. Der Arbeitgeber kann eine Rückholung von Beschäftigten aus dem Homeoffice ins betriebliche Büro also nur mit der Beteiligung des Betriebsrats anordnen, soweit dazu nicht ohnehin bereits eine Betriebsvereinbarung mit entsprechenden Regelungen abgeschlossen wurde.
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Gilt es als "Versetzung", wenn der Arbeitgeber Beschäftigte vom Homeoffice zurück ins Büro vor Ort holt?
Noch konkreter gefragt: Ist die Rückholung eine Versetzung nach § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes? Dieser Paragraf des Betriebsverfassungsgesetzes regelt die Mitbestimmung des Betriebsrats bei "personellen Einzelmaßnahmen" (Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung).

Eine Rückholung aus dem Homeoffice ist vergleichbar mit einer Versetzung eines Beschäftigten von einer Filiale in eine andere, wenn das Homeoffice länger als einen Monat andauert. ​Da sich ​auch die Arbeitsumstände für die Beschäftigten gegenüber der vorherigen Situation im mobilen Büro zu Hause wieder verändern, ​ist der Betriebsrat vor der Rückholung zu beteiligen: Er muss seine Zustimmung geben oder der Arbeitgeber muss diese Zustimmung vorm Arbeitsgericht einholen.

Zum Hintergrund
Eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist (§ 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Wie bei der Anordnung bzw. Einführung von Homeoffice wird die Arbeitsleistung im Betrieb in einer anderen organisatorischen Einheit ​und Umgebung sowie ggf. an einem anderen Arbeitsort als zuhause erbracht, auch das "Arbeitsregime" ​(andere Arbeitsmittel und Arbeitsorganisation gegenüber dem "Mobile Office") ändert sich wieder. Es ist ähnlich, wie in dem Fall, in dem ein*e Arbeitnehmer*in von einer Filiale (Niederlassung) in eine andere zurückversetzt wird. In beiden Fällen muss der Betriebsrat seine Zustimmung geben oder der Arbeitgeber muss sie sich vom Arbeitsgericht ersetzen lassen (§ 99 Abs. 4 BetrVG).
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Kann der Arbeitgeber in Corona-Zeiten die Zahl der Schreibtische zusammenstreichen und beispielsweise anordnen, dass Teile der Belegschaft abwechselnd im Büro und im Homeoffice arbeiten?
Der Arbeitgeber darf nicht einfach die Arbeitsplätze im Betrieb zusammenstreichen, ohne den Betriebsrat zu beteiligen. Das regelt das Betriebsverfassungsgesetz. Für die Gewerkschaften ist klar: Die Arbeit im Homeoffice sollte immer freiwillig sein und der Arbeitsplatz im Betrieb muss in jedem Fall erhalten bleiben. Da, wo Menschen zusammen arbeiten​, muss der Arbeitgeber für die Sicherheit ​der Beschäftigten und ein geringes Infektionsrisiko sorgen und an Entscheidungen zu erforderlichen ​Maßnahmen den Betriebsrat beteiligen.

Zum Hintergrund
Grundlegende Änderungen in der Betriebsorganisation (§ 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG) sind beteiligungspflichtig. Besonders unter den Bedingungen des Infektionsschutzes (hier hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG; s.o. Antwort auf Frage 3) ist der Betriebsrat bei einer Kürzung der Zahl der betrieblichen Arbeitsplätze und Doppelbelegungen zu beteiligen. Dabei muss der Arbeitgeber die bundesweit geltenden Hygienemaßnahmen garantieren (Mindestabstand 1,5 Meter zu anderen Kolleg*innen, ggf. durch Markierungen, Absperrungen, Zugangsregelungen u.ä.) und in einem solchen Fall ggf. auch Trennwände installieren, um bei Doppelbelegung ein Infektionsrisiko zu verhindern oder zumindest weitestgehend zu minimieren. Weiter hat der Arbeitgeber Mund-Nase-Bedeckungen sowie hinreichend Desinfektionsmittel für Beschäftigte und etwaigen Publikumsverkehr zur Verfügung zu stellen. Hierzu sind Regelungen mit dem Betriebsrat am besten in einer Betriebsvereinbarung, ggf. gar durch Vereinbarung eines Interessenausgleichs oder Sozialplans, zu treffen.

Für besondere Risikogruppen, wie solche mit Vorerkrankungen (etwa einer Lungenkrankheit, wie COPD), kann es - abhängig von den betrieblichen Umständen - notwendig sein, dass Arbeitgeber und Betriebsrat Sonderregelungen treffen, damit diese zum Schutz ihrer Gesundheit vor einer Infektion im Büro weiter im Homeoffice arbeiten dürfen, auch dann, wenn eine Arbeitsrückkehr ins Büro für den Großteil der Beschäftigten einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart wurde. Ähnliche Regelungen sind für die Fälle zu vereinbaren, in denen Arbeitnehmer*innen wegen Betreuungspflichten (etwa Schließung von Schulen oder Kitas) ihren Arbeitspflichten im Büro zumutbar nicht nachkommen können.

Letzte Änderung: 30.05.2020