Arbeitslosigkeit

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18.11.2019 Hartz-IV-Sanktionen teilweise verfassungswidrig

Das Arbeitslosengeld II - besser bekannt als Hartz IV - ist als Existenzminimum gedacht. Trotzdem kürzen die Jobcenter Hartz-IV-Empfängern regelmäßig die Bezüge. Die Betroffenen haben dann also weniger, als nach staatlicher Definition zum Leben notwendig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Praxis für teilweise verfassungswidrig erklärt.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat nun entschieden: Monatelange Leistungskürzungen, mit denen Jobcenter Hartz-IV-Bezieher sanktionieren, sind zumindest teilweise verfassungswidrig. Der Hartz-IV-Satz darf maximal um 30 Prozent gekappt werden. Für Härtefälle muss es eine zusätzliche Ausnahmeregelung geben. Die bislang angewandten Kürzungen um 60 oder gar 100 Prozent sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Dasselbe gilt für die Vorschrift, dass jede Kürzung pauschal und starr für drei Monate auszusprechen ist.

Zur Urteilsbegründung sagen die Verfassungsrichter: Das Grundgesetz garantiert eine menschenwürdige Exis­tenz aller Bürgerinnen und Bürger. Der Gesetzgeber muss diese sichern. In der Gestaltung des Existenzminimums räumt das Gericht zwar Spielräume ein - aber nicht unbegrenzt. Einschnitte müssen besonders begründet werden - dies ist aktuell nicht der Fall.

Das Urteil hat unmittelbare Folgen für die Praxis: Die Verfassungsrichter haben eine Übergangsregelung erlassen. Diese Regelung hat Gesetzeskraft. Hartz-IV-Bescheide, die bereits bestandskräftig sind, bleiben, wie sie sind. Bescheide, die per Widerspruch oder Klage angegriffen wurden, müssen aufgehoben werden. Bis zur Neuregelung müssen die Jobcenter die verfassungswidrigen Paragrafen nach Maßgabe des Urteils anwenden. Hier bleibt noch abzuwarten, wie die sicherlich zeitnah herausgegebenen internen Weisungen für die Jobcenter konkret formuliert werden.

Hans-Jürgen Urban, der im IG Metall-Vorstand für Sozialpolitik zuständig ist, sagt zu dem Urteil: "Dass die Karlsruher Richter Teile der Sanktionen für verfassungswidrig erklären, ist ein Handlungsauftrag, den die Politik nicht auf die lange Bank schieben sollte. Das vorhandene Sanktions- und Zumutbarkeitsregime muss überwunden und durch unterstützende und weiterbildende Maßnahmen ersetzt werden ­- im Interesse der Betroffenen und im Interesse einer qualifikationsförderlichen Arbeitsmarktpolitik." Die Bundesregierung dürfe sich nicht darauf beschränken, hart am Rande der Rechtsprechung entlang zu reformieren.

"Die Vorstellung, Menschen durch Strafen in Arbeit bringen zu müssen, geht an der Wirklichkeit vorbei", so Urban weiter. Es mangele den Betroffenen in der Regel nicht an Arbeitsmotivation oder der Bereitschaft, Zugeständnisse bei einer angebotenen Tätigkeit zu machen. "Sinnvoll wäre es deshalb, die Betroffenen zum Beispiel durch Coaching bei der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu unterstützen."

Letzte Änderung: 18.11.2019