125 Jahre IG Metall Pforzheim -Festakt-

"An der Wiege der Arbeiterbewegung stand das Dunkel! Aus diesem Leidensdruck heraus schlossen sich Frauen und Männer in Interessensgemeinschaften zusammen - die Wiege der Gewerkschaften." So leitete Martin Kunzmann, 1.
Bevollmächtigter der IG Metall Pforzheim, in seine Ansprach an die ca. 200 geladenen Gäste im ccp ein.
Er schlug einen Bogen über die Gründung der ersten gewerkschaftlichen Vertretung der Arbeiter/innen in der Pforzheimer Bijouterie Industrie im Jahr 1869, das Sozialistengesetz vom 21. Oktober 1878 (durch das alle Vereine mit
sozialistischem Gedankengut bis auf weiteres verboten wurden) und die Zerschlagung der Gewerkschaften durch die Nazi-Diktatur um dann in die heutige Zeit zu schauen. "Heute", so Kunzmann, "haben Menschen immer noch Angst, sich
öffentlich als Gewerkschafter/In zu erkennen zu geben. Immer noch werden Beschäftigte bei Einstellungsgesprächen gefragt, ob sie Mitglied einer Gewerkschaft sind. Immer noch wollen nicht alle Jubilare in der Presse genannt
werden. Ihr Argument: Wenn mein Chef erfährt, dass ich in der Gewerkschaft bin, habe ich nichts mehr zu lachen. Immer noch versuchen Unternehmer, Betriebsratswahlen zu verhindern. Und das alles im Jahr 2016."
Weiter führte Kunzmann aus: "Wir stehen vor großen Herausforderungen. Es geht darum, den enormen technischen Fortschritt auch in einen sozialen Fortschritt umzusetzen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Bildung,
Fort- und Weiterbildung ausgebaut werden.
Die Arbeitslosenstatistik von Pforzheim macht die Versäumnisse der Vergangenheit deutlich. Nahezu 2/3 der Arbeitssuchenden sind Un- und Angelernte. Ich glaube nicht, dass die Fehler der Vergangenheit gänzlich behoben werden
können.
Doch für die Zukunft können wir die Weichen anders stellen, in Richtung bessere Qualifizierung. Nur so können wir sicherstellen, dass die Betriebe die notwendigen Fachkräfte bekommen. Denn nur so lassen sich neue
Produkte und Produktionsverfahren entwickeln und fertigen. Die Sozialpartnerschaft ist eine der wichtigsten Erfolgsfaktoren der deutschen Wirtschaft."

Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles und Bundestagsabgeordnete Katja Mast (beide SPD) übersandten der IG Metall Pforzheim eine Videobotschaft mit den besten Grüßen zum 125 jährigen Jubiläum.
Sie stellten heraus wie wichtig es ist, dass sich MetallerInnen unermüdlich für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und mehr Gerechtigkeit einsetzen. Vor allem die Aktivitäten um die Einführung des
Mindestlohns und die Regulierung der Leiharbeit hoben sie hervor.
Gunther Krichbaum Bundestagsabgeordneter der CDU schrieb in einem Brief an die IG Metall Pforzheim in dem er sich für seine Abwesenheit entschuldigte: "Zugleich möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Ihnen -
stellvertretend für alle Mitglieder - für ihren Einsatz zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserer Region zu danken. Bei allen politischen Differenzen, die bisweilen zwischen uns bestehen, habe ich den
größten Respekt vor der Rolle der Gewerkschaften in unserer Demokratie und ihrem Beitrag zur Erfolgsgeschichte unserer Republik."

Ehrengast und Festrednerin war Christiane Benner, 2. Vorsitzender IG Metall, die trotz einer starken Erkältung den Weg in die Goldstadt auf sich genommen hatte und mit einer glänzenden Rede das Publikum in ihren Bann
zog. In ihrer Ansprache nahm Benner sich vor allem den Herausforderungen der 4. Industriellen Revolution, der sogenannten Industrie 4.0, an, ohne dabei den Blick auf die fundamentalen Werte der IG Metall, "Freiheit, Gerechtigkeit,
Solidarität, Respekt und Anerkennung" zu kurz kommen zu lassen. "Wer sich gemeinsam mit anderen Menschen für eine Sache stark macht. Wer Missstände nicht als gegeben hinnimmt. Wer es wagt, Bestehendes in Frage zu stellen
und Widerstände zu überwinden. Der kann etwas zum Guten verändern. Ein "besseres Morgen" ist möglich! Diesen Optimismus kann uns unsere stolze Geschichte geben. Und diesen Optimismus brauchen wir auch, um gemeinsam
die großen Herausforderungen unserer Zeit zu gestalten." Sagte Benner, und sprach damit den Anwesenden FunktionärInnen aus der Seele. Weiter bestärkte sie: "Bildung und Qualifizierung müssen zum Leitmotiv der
digitalen Arbeitsgesellschaft werden. Die Berufe der Zukunft erfordern Kompetenzen, die den rasanten Veränderungen der Technik und Arbeitsorganisation Rechnung tragen. Fachkompetenzen werden wichtig bleiben, aber wie bilden wir
Interdisziplinarität, Fähigkeit zum komplexen Denken in Prozessen und Urteilsvermögen über gute und schlechte Daten und das Klassifizieren von Informationen aus?
Bildung wird daher mehr denn je der Schlüssel für die Emanzipations- und
Entwicklungschancen aller Beschäftigten sein. Deshalb gilt es, allen Beschäftigten - ob an- oder ungelernt, Facharbeiter oder Ingenieurin - Qualifizierung und damit berufliche Entwicklung zu ermöglichen. Kolleginnen und
Kollegen, wer "A" sagt muss auch "B" sagen. Wer Digitalisierung sagt, der muss auch Qualifizierung sagen. Da müssen die Arbeitgeber endlich liefern! Nur so können wir die Digitalisierung zum Gewinnerthema machen. Die
Leistungsfähigkeit unseres Bildungs- und Weiterbildungssystems wird die Weichen für die Zukunft des Landes und die Grundlagen unseres Sozialstaates stellen. Bildungspolitik und vor allem die Stärkung betrieblicher
Weiterbildungsmöglichkeiten sind damit die Zukunfts- und die Gerechtigkeitspolitik des 21. Jahrhunderts."
Verabschiedet wurde Christiane Benner mit lautstarkem Applaus und einer kleinen Spezialität aus der Goldstadt als Gastgeschenk.

Grußworte sprachen der Oberbürgermeister der Stadt Pforzheim, Gert Hager und DGB Regionsgeschäftsführer Lars-Christian Treusch.
Musikalisch wurde Abend in wundervoller Weise von Nicolas Eichhorn (Klavier) und Katharina Färber (Gesang) begleitet, die mit Liedern wie "sag mir wo die Blumen sind", "Bella Ciao" und "Brüder zur Sonne zur
Freiheit" dem Festakt seinen festlichen Rahmen gaben.
Durch den Abend moderierten Liane Papaioannou (IG Metall Pforzheim) und Martin Kolb (2. Bevollmächtigter IG Metall Pforzheim).
Letzte Änderung: 19.10.2016