Tolle Stimmung beim Warnstreik
Neben den Beschäftigten der Frühschicht bei Mahle Behr nahmen auch Metallerinnen und Metaller der Firmen Händle und MDS Abele

an den Warnstreiks im Rahmen der Tarifauseinandersetzung in der Metall- und Elektroindustrie teil, die vom stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden und Vorsitzenden der IG Metall Vertrauensleute bei Mahle Behr Wolf Dietrich Glaser begrüßt wurden.
Erstmalig dabei waren mehr als 80 Beschäftigte der Frühschicht der Firma RSN Sihn aus Mühlacker.

Deren Betriebsratsvorsitzender Andreas Ahner stellte heraus, dass die Beschäftigten bei RSN Sihn auch allen Grund hätten zu streiken. "Lange genug hat man sich von den zahlreichen Geschäftsführern bei Sihn in den letzten 10 Jahren an der Nase herum führen lassen." Dennoch sei es vor drei Jahren gelungen mit einem Haustarifvertrag einen Einstig in Richtung Tarifbedingungen für die Beschäftigten zu schaffen und zumindest zu regeln, dass die Beschäftigten, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, die gleiche Entgelterhöhung erhielten wie die übrigen Beschäftigten in der Metallindustrie. "Die Bedingungen sind jedoch noch deutlich schlechter als in der Fläche. Weniger Entgelt, längere Arbeitszeiten, kein Weihnachtsgeld und jetzt will die Geschäftsleitung auch noch einen Samstag im Monat ohne Bezahlung von den Beschäftigten. Auch deshalb streiken wir. Das wollen wir deutlich machen. Deshalb erwarten wir bei den nächsten Haustarifverhandlungen ein deutliches Entgegenkommen der Geschäftsleitung", machte Ahner deutlich.

Christian Hidalgo, Betriebsrat bei MDS Abele unterstrich, dass es auch für die Beschäftigten bei Abele wichtig ist, dass die IG Metall deutliche Entgelterhöhungen durchsetzt, der Jugend mit der geförderten Bildungsfreistellung neue Perspektiven entwickelt und den schwerbelasteten Kolleginnen und Kollegen einer Gießerei ein würdiges Ausscheiden in den Ruhestand zu ermöglichen.

Der Euro- und Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Mahle Behr, Dieter Kiesling
machte deutlich, dass die Beschäftigten ihren gerechten und dauerhaften Anteil vom Aufschwung haben wollen. "Wenn uns schon nicht die Bäckerei gehört, dann wollen wir wenigstens ein ordentliches Stück vom Kuchen, 5,5%
mehr Entgelt, verbesserte Altersteilzeit und eine geförderte Bildungsteilzeit. Das sind die drei miteinander verknüpften Forderungen.", rief Kiesling den Streikenden zu. Er erinnerte daran, dass in den vergangenen Wochen
bereits über 1.500 Beschäftigte bei Mahle Behr in der Region Mühlacker mit Frühschlussaktionen gezeigt hätten, dass sie voll hinter den Forderungen der IG Metall stünden. Und dies sei auch wichtig, da sich
die Arbeitgeber nicht mit Taschenrechner oder Argumenten überzeugen lassen, sondern nur mit dem entsprechenden Druck aus den Belegschaften.
Kiesling machte aber auch deutlich, dass es den Beschäftigten bei Mahle am 19. Februar 2015 nicht nur um die aktuellen Tarifforderungen geht, sondern dass alle Beschäftigten der 29 Mahle Standorte mit dem Mahle Aktionstag die Forderungen der Geschäftsleitung nach Abweichungen im Tarifvertrag zurückweisen. Man wolle die Solidarität gegenüber den Beschäftigten bei Mahle zum Ausdruck bringen, die derzeit gerade um eine Standort- und Beschäftigungssicherung kämpfen. In Mühlacker liefe diese ja noch bis 2019. Kiesling griff die Geschäftsführung massiv an: "Die Herren stellen sich vor, dass an Standorten aus ihrer Sicht mit "strukturellen Problemen" durch die Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich, durch verschieben von Tariferhöhungen, durch Absenken von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die Personalkosten um stattliche 15 % gesenkt werden sollen." Darüber hinaus sollen die Betriebsräte an einigen Standorten dem Abbau von hunderten von Arbeitsplätzen vorab zustimmen und gleichzeitig eine Ausweitung von Leiharbeit und Befristungen akzeptieren. Die Krönung dieser Zumutungen sei die Forderung: Der Gesamtbetriebsrat und die IG Metall möge doch bitte vorab zustimmen, dass man sich bei Bedarf die einzelnen Standorte vorknöpfen darf und als Ultima Ratio behält man sich dann immer noch betriebsbedingte Kündigungen vor. "Wenn das alles ist was diese Geschäftsführung zu bieten hat, dann muss man sich die Frage stellen: Haben wir bei Mahle Standorte mit strukturellen Problemen zu tun oder haben wir Probleme wegen einer strukturschwachen Geschäftspolitik", fragte er in die Runde der Streikenden. Als Reaktion auf die Forderungen der Mahle Geschäftsleitung gäbe es nur eine Antwort: "Für den Mist und den Blödsinn stehen wir nicht zur Verfügung!" Die Betriebsräte bei Mahle und die IG Metall werden nicht zulassen, dass der Flächentarifvertrag bei Mahle Stück für Stück abgeschafft wird. "Wir lassen uns für dieses Vorhaben auch nicht vor diesen Karren spannen", macht Kiesling unter dem Beifall der Demonstranten deutlich.

Nadine Boguslawski von der IG Metall Bezirksleitung Baden-Württemberg, rief den Streikenden zu, dass bundesweit bereits 655.000 und in Baden-Württemberg 198.000 Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie die
Arbeit kurzzeitig niedergelegt haben. "Das sogenannte Angebot der Arbeitgeber sei eine Frechheit", erklärte sie. "Das ist der Gestus des Patriarchen, der sich den ganzen Braten alleine auf den Teller lädt und nachdem er ihn
verspeist hat, in die Runde spricht: Seht ich bin gerecht, ich habe keinen von Euch bevorteilt. Fair für alle ist meine Devise! Das ist Fairness nach Arbeitgeberart! Von hier und heute geht die Botschaft an die Arbeitgeber
unmissverständlich, unübersehbar und unüberhörbar: Werden Sie vernünftig und hören Sie endlich auf, sich nach Gutsherrenart zu gebärden - diese Zeiten sind vorbei! Jetzt ist es Zeit die Provokationen zu
beenden.
Jetzt ist es Zeit konstruktiv zu verhandeln", rief sie den Metallerinnen und Metallern zu. "Die Arbeitgeber sehen die Altersteilzeit nur als Problemlösung für diejenigen, die nicht mehr können. Das ist eine klare
Provokation. Die Menschen wollen einen geregelten Ausstieg aus dem Arbeitsleben. Sie wollen nicht kaputt in die Rente stolpern, sondern noch etwas vom Leben haben. Der Anspruch früher aus dem Arbeitsleben auszuscheiden, weil man es
möchte und weil man lange Jahre gearbeitet hat, immer seine Leistung gebracht hat und weil das Leben mehr ist als nur arbeiten, ist ein berechtigtes Anliegen der Kolleginnen und Kollegen. Wer darauf reagiert, indem er die
Hälfte der Ansprüche abschafft, der darf sich über die Wut der Beschäftigten nicht wundern", erklärte sie.

Martin Kunzmann, 1 Bevollmächtigter der IG Metall Pforzheim, machte zum Schluss der Kundgebung noch einmal deutlich, dass die Arbeitgeber bei der 4. Verhandlung am Montag, den 23. Februar die letzte Chance am Verhandlungstisch haben einen fairen Kompromiss abzuschließen. "Wenn die Arbeitgeber aber weiter mit dem Feuer am Pulverfass spielen, brauchen sie sich nicht wundern, wenn es dann auch mal explodiert. Die IG Metall will gute Arbeit sicher und fair, eine angemessene Beteiligung an den steigenden Gewinnen, ein würdiges und mitbestimmendes Ausscheiden der Beschäftigten nach einem langen Arbeitsleben und mehr Bildungschancen für die Jugend. Hierzu ist die IG Metall immer bereit einen tragfähigen Kompromiss am Verhandlungstisch abzuschließen. Wollen die Arbeitgeber dies nicht, dann haben sie die Urabstimmung und einen möglichen Streik zu verantworten", so Kunzmann.
Letzte Änderung: 19.02.2015