Ein Grund zum feiern

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13.09.2011 10 Jahre Betriebsrat bei Karl Scheufele in Birkenfeld 27. Aug. 2001 - 27. Aug. 2011

Was am Anfang vielfach belächelt wurde, hat sich bewährt: Der Betriebsrat bei Karl Scheufele feiert sein zehnjähriges Bestehen.

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Aus diesem Anlass trafen sich am Freitag ein Teil der 28 Betriebsratsmitglieder die zwischenzeitlich im Amt waren in den Schwarzwaldstuben in Birkenfeld. Dem Ort, an dem am 24. April 2001 ein erstes Treffen von Beschäftigten zum Thema Betriebsratsgründung stattfand.

Dies ist ein geeigneter Zeitpunkt, um innezuhalten, sich zu erinnern und zurückzublicken.

Als sich im Frühjahr 2001 die ersten Aktivisten zur Gründung eines Betriebsrates in Birkenfeld trafen, ging es um anstehende Änderungen, welche die Beschäftigten nicht einfach so hinnehmen wollten: Jahrelang vorhandene Preisberechnungen für Akkordarbeiten wurden von Arbeitgeberseite ohne nennenswerte Ankündigungsfristen deutlich verschlechtert.

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Alles Reden und Verhandeln einzelner Beschäftigter mit der Geschäftsleitung hatte sich als fruchtlos erwiesen. In dieser Lage fanden sich Interessierte und Menschen, die etwas bewirken wollten, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, zusammen und berieten mit der für die Branche zuständigen IG-Metall darüber, was zu tun wäre.

Es war schnell klar: Ein Betriebsrat musste gegründet werden, um für die Beschäftigten durchsetzbare Rechte zu erlangen.

Das Motto dabei war: Die gesetzlichen Möglichkeiten der Mitbestimmung, Mitgestaltung und Mitsprache nutzen.

Die überaus hitzige Wahl eines siebenköpfigen Betriebsrates und die daran anschließende Zeit waren von vorsichtigen Versuchen, die nun erreichbaren Rechte zu nutzen, geprägt.
Auf der anderen Seite nahm der Arbeitgeber, mal mehr, mal weniger Einfluss und versuchte, die Dinge in seinem Interesse zu regeln.

Der neugewählte Betriebsrat bemühte sich redlich und mit steigendem Erfolg, einen Konsens mit dem Arbeitgeber und den regelmäßigen Umgang mit ihm zu finden. In dieser Zeit waren die Ratschläge der IG - Metall, allen voran mit ihrem Sekretär Arno Rastetter, eine große Hilfe.

Jedoch: Lange nicht in allen Fällen war eine Problemlösung durch Reden möglich, auch wenn diese Lösung immer zuerst gesucht wurde.

In dieser Zeit war oft zu hören, dass da nur einige Leute ein Strohfeuer entfacht hätten und dass diese Betriebsratsgeschichte rasch vorüber sein würde.

Trotz allem konnte der Betriebsrat der Karl Scheufele GmbH & Co KG - ein Unternehmen der Luxusuhren- und Schmuckbranche und Teil der Chopard Gruppe in Birkenfeld bei
Pforzheim - es erreichen, dass Betriebsvereinbarungen zum Urlaub, zur täglichen Arbeitszeit, zur tariflichen Leistungszulage und weitere Regelungen abgeschlossen wurden.

Mitbestimmung zog ein, wo zuvor Alleinherrschaft Zuhause war.
Zum Nachteil der Beschäftigten war dies nicht. Auch, wenn sich der Umgang zwischen einer für ihre Rechte eintretenden Belegschaft und der die Arbeitsprozesse verändern wollenden Arbeitgeberseite nicht vereinfachte.

Beispiele der Einflussnahme:
Mit der auf tariflicher Grundlage verhandelten Regelung zur Leistungszulage bekamen 30 Prozent der Mitarbeiter auf einen Schlag nicht unerheblich mehr Geld. Geldbeträge, mit denen seit 25 Jahren niemand gerechnet hatte.

Durch die Regelung zur Arbeitszeit, welche es erstmals ermöglichte, einen geregelten Feierabend zu haben, wurden klare Regelungen von bezahlter Mehrarbeit und dem Ausgleich von Mehrarbeit mit bis zu zwei zusätzlichen Freizeittagen im Monat geschaffen.
Kurzum, die Mitarbeiter bekamen das Recht auf Mitsprache bei der von ihnen geleisteten Arbeitszeit.

Der Urlaub wird seit der Betriebsratsgründung nicht mehr teils außerhalb der Schulferien in Form von dreiwöchigen Betriebsferien, sondern gekürzt auf zwei Wochen und innerhalb der Schulferien genommen. Wo früher 28 von 30 Tagen Urlaub verplant wurden haben die Mitarbeiter heute 15 von 30 Tagen Urlaub zur freien Einteilung.

In dieser Zeit musste sich der Betriebsrat gegenüber einem rechtlich versierten und starken Personalchef positionieren.

Als nach fast fünf Jahren neu gewählt wurde, trugen diese Wahlen schon ein völliges neues Gepräge: Eine zweite Liste kandidierte zum Betriebsrat.

Die Belegschaft entschied sich mit einer deutlichen Mehrheit für weitere Mitbestimmung und wählte ein tatkräftiges Gremium mit neun Köpfen, in welchem auch etliche der ursprünglichen Mitglieder wieder vertreten waren.

Nach der Wahl bekamen die Vertreter beiden Listen erfreulich rasch das Kunststück fertig, sich im Alltag sach- und zielorientiert auf die Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber zu konzentrieren und zusammenzuarbeiten.

Der sich schon während der ersten Amtszeit deutlich ausdehnende Arbeitsaufwand führte seit Mitte der ersten Amtsperiode - dem dritten Amtsjahr - zur Freistellung von seinen übrigen Tätigkeiten des bis heute im Amt befindlichen Betriebsratsvorsitzenden Jürgen König.

Im Bewusstsein der Bedeutung des Betriebs Karl Scheufele GmbH & Co KG für den Bereich der Edelmetallindustrie wurde die Möglichkeit der Mitarbeit in der Tarifkommission der IG Metall genutzt.
Insbesondere bei dem, das Arbeitsleben deutlich verändernden, Schritt der ERA-Einführung kam dies zum Ausdruck (ERA = Entgelt-Rahmen-Abkommen).

Die betriebliche ERA-Einführung fand im Jahre 2008 sauber und ordentlich in einem von Mitbestimmung geprägten Umfeld statt. Wo früher eine Trennung in gewerbliche, kaufmännische und technische Mitarbeiter stattgefunden hatte, wurde durch ein geniales Tarifsystem die gesetzliche Maßgabe umgesetzt, eben diese Trennung im Betrieb aufzuheben.

Neben der Mitarbeit in der Ausgestaltung des Tarifvertrages mussten nun Seminare besucht, betriebliche Abläufe und eingefahrene Lohn- und Gehaltsregelungen analysiert und verändert werden.

Aber auch andere Felder der Betriebsratsarbeit entwickelten sich, insbesondere durch die kontinuierliche und anhaltende Weiterbildung des gesamten Gremiums weiter.

Recht schnell wurde von den einzelnen Betriebsratsmitgliedern erkannt, dass dem Fachwissen des Arbeitgebers und dem Zur-Geltung-Bringen der Mitbestimmung nur durch Wissen in den Sachgebieten begegnet werden kann.

Da die von Fachinstituten errechneten rund 70 unterschiedlichen Arbeitsgebiete für Betriebsräte nicht von allen einzelnen Betriebsratsmitgliedern beherrscht werden können, wurden Fachausschüsse wie Personal-, Akkord-, Wirtschafts- oder Arbeitssicherheitsausschüsse gegründet, welche dann, in den jeweiligen Themen geschult, diese Gebiete bearbeiteten.

So konnte in der zweiten Amtsperiode eine der ersten vorbildlichen Betriebsvereinbarungen der Edelmetall-, Schmuck- und Uhrenbranche zur Leiharbeit abgeschlossen werden.
Darin ist neben einer Anteilsquote zur Belegschaft eine Regelung für insgesamt gleiche Arbeitsbedingungen (Entgelteinstufung und -bezahlung, Leistungszulage usw.) sowie die Integration nach einer Beschäftigung über einen gewissen Zeitraum hinweg enthalten.

Mitarbeiterumfragen und Auswertungen der betrieblichen Gegebenheiten führten und führen nicht selten zur Handlungsanregungen und zur Anerkennung auf der Arbeitgeberseite, wenngleich mit Lob vom betrieblichen Verhandlungspartner, schon aufgrund der ideologischen Unterschiede und Grenzen, nicht immer gerechnet werden konnte.

Etliche Themen, wie die Erstellung einer ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilung für die einzelnen Arbeitsplätze konnten mit diesen Methoden vorangetrieben werden, wo bisher der Arbeitgeber nicht so recht herangehen wollte.
So gibt es heute z.B. neben dem allgemeinen Arbeitsschutz (Unfallverhütung, usw.) eine massiv durch den Betriebsrat mitgestaltete, alle zwei Jahre durchzuführende Umfrage zur Arbeitssicherheit, welche die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz (Gestaltung der Arbeitsumgebung, Arbeitsprozesse, Arbeitsablauf, Umgang mit Fehlern, usw.) erfasst, auswertet und anschließend zu gemeinsamen Abhilfemassnahmen führt.

Wichtig ist dem Betriebsrat bis heute und für die Zukunft: Eine Information der Belegschaft mit einer guten und regelmäßigen Öffentlichkeitsarbeit, die z. B. durch regelmäßige Aushänge am schwarzen Brett, aber auch auf der betrieblichen Intranetplattform von anstehenden betrieblichen oder gewerkschaftlichen Aktionen, Umfrageergebnissen, abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen und den regelmäßig stattfindenden Betriebsratssitzungen berichtet.

Gerade der Informationsaustausch auf den Betriebsratssitzungen ist Grundlage für anzugehende Arbeitsgebiete und die bisher erreichten Erfolge. Nicht alle Beschäftigten können oder wollen zum Betriebsratsbüro gehen, sondern möchten Frust, Fragen, Anregungen, und Freude über die Arbeitsbedingungen direkt bei den Betriebsräten in den Fachabteilungen loswerden.

Somit ist jeder der neun heute aktiven Betriebsräte wichtig, um mit seinem Insiderwissen die Betriebsratsberatungen und -arbeit mitzugestalten.

Ausblick:
Derzeit aktuell laufen Verhandlungen zu einer Betriebsvereinbarung wegen dem Wunsch nach einer besseren Videoüberwachung, welche aufgrund der Werthaltigkeit der maßgeblich verarbeiteten Rohstoffe Gold und Brillanten an Schlüsselpositionen nötig wird.

Der Betriebsrat der Karl Scheufele GmbH & Co. KG hofft und strebt an, dass der Prozess der rechtzeitigen Mitbestimmung, der Beratungen und Rücksichtnahme auf Mitarbeiter- und Betriebsratsrechte auch weiterhin voranschreitet.

In diesem Sinne möchten wir Mitarbeiter anderer Betriebe ermutigen, sich für die Arbeit als Betriebsrat - ja, für eine Gestaltung ihrer betrieblichen Arbeitsbedingungen - zur Verfügung zu stellen!

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Letzte Änderung: 29.01.2020