IG Metall Pforzheim

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16.05.2011 Ortsvorstand diskutiert über tarifpolitische Initiative 2011/2012

Pforzheim/Enzkreis/Karlsbad Nach dem die große Tarifkommission der IG Metall Mitte April im Bezirk Baden-Württemberg den Startschuss für eine Debatte über eine betriebs- und tarifpolitische Initiative gestartet hatte, hat sich vorige Woche der Ortsvorstand der IG Metall Pforzheim ebenfalls mit dem Thema beschäftigt.

Unter der Überschrift "Arbeit - sicher und fair" debattierten der Ortsvorstand der IG Metall Pforzheim darüber, wie die Beschäftigten im Enzkreis besser am Aufschwung der Wirtschaft beteiligt, prekäre Beschäftigung eingegrenzt und der Jugend bessere Chancen geboten werden können. Jetzt soll die Debatte in den Betrieben weitergeführt werden.

Eine Entscheidung darüber, ob die Gewerkschaft konkrete Tarifforderungen aufstellt um die Themen zu regeln, soll in der Tarifkommission im Sommer fallen.

Dabei gehe es in erster Linie um eine Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen, sowie verbesserte Übernahmeperspektiven für Auszubildende. Derzeit sieht der Tarifvertrag lediglich eine Mindestübernahme von 12 Monaten nach der Ausbildung vor. Außerdem seien Regelungen zur besseren Begleitung Jugendlicher im Übergang von der Schule in die Ausbildung, aber auch der besseren Durchlässigkeit der beruflichen Entwicklung nach der Ausbildung notwendig.

Mit Blick auf den rasanten Anstieg prekärer Arbeitsverhältnisse warnte der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Pforzheim Martin Kunzmann vor einem "Auseinanderbrechen der Gesellschaft", wenn diese in Stammbeschäftigte und prekär Beschäftigte aufgeteilt würde. "Deshalb wollen wir den Handlungsrahmen der Betriebsräte verbessern, aber auch Entgelte und Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter deutlich verbessern. Wir akzeptieren keine zweite Tariflinie in den Betrieben", sagte Kunzmann.

Laut einer Umfrage der IG Metall Baden-Württemberg in über 900 Betrieben der Metall- und Elektroindustrie vom März 2011 nutzen inzwischen 80 Prozent der Betriebe die Leiharbeit. In fast einem Viertel ist die Zahl der Leiharbeiter inzwischen sogar höher als vor der Wirtschaftskrise. Außerdem verfügen nur 45 Prozent der Betriebe über eine betriebliche Regelung zur Leiharbeit. Im Enzreis sind dies im Metall, - und Edelmetallbereich geade einmal 7 Betriebe so der Sprecher der IG Metall Pforzheim.

Obgleich das Thema Leiharbeit bei Witzenmann in Pforzheim eine untergeordnete Rolle spielt, gibt es für den Betriebsratsvorsitzenden Klaus Roller keine Alternative dazu, das Thema tarifpolitisch anzugehen solange die Politik nicht gewillt ist den Grundsatz der gleichen Bezahlung gesetzlich zu regeln.

Die derzeitige Praxis führe dazu, dass Leiharbeiter teilweise 40% weniger verdienen als die vergleichbaren Stammbeschäftigten. Die geringen Entgelte führen auf Grund der geringen Beiträge zu weiteren Problemen in der Rentenkasse der Kranken,- und Arbeitslosenversicherung.

Ein nicht geringer Teil der Leiharbeiter erhält neben seinem Einkommen trotz Vollzeitarbeit noch Aufstockungsleistungen durch Harz IV. "Dies ist eine Subvension der Unternehmen durch den Staat die wir nicht länger akzeptieren können," so Roller. "Deshalb müssen wir die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte in der Frage Leiharbeit tariflich erweitern," so Roller weiter.

Dieser Auffassung schließt sich auch Dieter Kießling, Betriebsratsvorsitzender bei Behr in Mühlacker an. "Bei Behr in der Region Mühlacker haben wir Leiharbeit in einem Ergänzungstarifvertrag zwar ausgeschlossen, dennoch müssen wir das Thema auch in der Fläche tarifpolitisch angehen, so sein Fazit in der Ortsvorstandsitzung.

Fast drei Viertel aller Betriebe setzen Werkverträge ein, was in 53 Prozent der Betriebe dazu führt, dass Stammarbeitsplätze durch Werkverträge ersetzt werden. Und 73 Prozent der Betriebe übernehmen ihre Auszubildenden im Anschluss nur für höchstens ein Jahr, während drei Prozent die Übernahme ihrer Auszubildenden sogar ganz verweigern.

In Pforzheim und dem Enzkreis ist der Anteil der Azubis, die gar nicht übernommen werden noch deutlich höher als im Durchschnitt in Baden-Württemberg. Nur Behr hat sich bereits tariflich verpflichtet, die Auszubildenden unbefristet zu übernehmen.

Tarifliche Regelungen zur unbefristeten Übernahme nach der Ausbildung sind dringend erforderlich unterstreicht Klaus Rupp Betriebsratsvorsitzender der Firma HarmanBecker in Ittersbach. "Wir hatten in den letzten Jahren erhebliche Auseinadersetzungen um überhaupt eine auf 12 Monate befristete Übernahme für alle Azubis durchzusetzen. Dies sei jedoch für die jungen Menschen keine ausreichende längerfristige Zukunftsperspektive," so Rupp.

Kunzmann: "Das zeigt, wir bohren an den richtigen Stellen. Es geht um Perspektiven für die Jugend und um sichere, faire Arbeit. Es kann nicht sein, dass der Aufschwung nicht in ein Mehr an sicherer Beschäftigung, sondern in ein Mehr an prekärer Beschäftigung führt. Wir wollen, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht allein Bilanzen vergoldet, sondern bei denen ankommt, die diesen Erfolg erarbeiten."

Im Juli wird die große Tarifkommission der IG Metall Baden- Württemberg einen Grundsatzbeschluss über den Tariffahrplan 2011/2012 und mögliche qualitative Forderungen im Vorfeld der im April 2012 anstehenden Entgeltrunde fassen.

Letzte Änderung: 12.05.2011