Für mehr Tarifverträge:

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12.11.2023 DGB startet Kampagne #Tarifwende

Seit Jahren sinkt die Tarifbindung. Die Folgen für Beschäftigte und Gesellschaft, aber auch für die Arbeitgeber sind fatal. Denn auch sie profitieren von vergleichbaren und vertraglich geregelten Gehalts- und Arbeitsbedingungen. Mit einer neuen Kampagne will der DGB jetzt Druck machen für mehr Tarifverträge.

Tarifverträge sichern gute Gehälter und Arbeitsbedingungen. Arbeitnehmer*innen, die in einem Betrieb mit Tarifvertrag arbeiten, verdienen jeden Monat durchschnittlich 844 Euro brutto mehr, betrachtet über alle Branchen und Berufe hinweg. Im gesamten Arbeitsleben von lohnabhängig Beschäftigten mit Tarifschutz kommen so im Schnitt bis zu 250.000 Euro netto zusammen - eine gewaltige Summe, die einen Unterschied macht. Existenzielle Fragen hängen von diesem Geld ab: Kann ich von meinem Gehalt gut und erfüllt leben? Kann ich zusätzlich für die Rente vorsorgen? Kann ich meinen Kindern eine Ausbildung oder ein Studium finanzieren? Weil Tarifverträge so wichtig sind, hat die Tarifautonomie von Gewerkschaften und Arbeitgebern Verfassungsrang, der sich aus der Koalitionsfreiheit im Grundgesetz ableitet.

Doch seit Jahren sinkt die Tarifbindung, immer weniger Betriebe haben tarifvertraglich geregelt, zu welchen Konditionen ihre Mitarbeiter*innen arbeiten. Laut aktuellem Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiten nur noch 51 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb mit Tarifvertrag. Die Gründe für den Niedergang sind unterschiedlich. Der Strukturwandel oder neue Beschäftigungsformen wie etwa wenig regulierte Plattformarbeit spielen eine Rolle. "Besonders fatal ist das Verhalten von Arbeitgebern, die gezielt und vorsätzlich Tarifverträge vermeiden, so wie der E-Autobauer Tesla", sagt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Am deutschen Standort in Grünheide gibt es keinen Tarifvertrag. Medien hatten zuletzt über eklatante Sicherheitsmängel im Werk berichtet.

Ein großes Problem, so Körzell, sind auch die Arbeitgeberverbände, die Unternehmen Mitgliedschaften ohne Tarif anbieten - sogenannte OT-Mitgliedschaften. "Diese Unternehmen nehmen zwar alle Vorteile als Verbandsmitglied mit, zahlen aber weder Tarifgehälter, noch halten sie sich an geltende Regeln zu Arbeitszeiten oder Urlaub."

Auch deshalb startet der DGB nun eine bundesweite Kampagne für eine #Tarifwende in Deutschland. Warum sind Tarifverträge wichtig? Welche Bedeutung haben sie für Beschäftigte, für die Gesellschaft und für die Volkswirtschaft? Viele wissen das nicht mehr - und das muss sich wieder ändern.

Es geht ebenso darum, den Druck auf die Politik zu erhöhen, damit sie sich stärker für mehr Tarifschutz einsetzt - auch durch neue Gesetze. Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi richtete sich beim Auftakt der Kampagne an die Unternehmen: "Wir fordern die Arbeitgeber auf, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung wieder gerecht zu werden - und im Übrigen auch dem eigentlichen verfassungsmäßigen Auftrag: mit uns gemeinsam Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu verabreden. Warten Sie nicht, bis die Gesetzgeber gezwungen sind, mehr und mehr einzugreifen. Wer staatliche Bürokratie beklagt, muss Tarifverträge abschließen!" Deshalb fordert der DGB, öffentliche Aufträge nur noch an Betriebe zu vergeben, die tarifgebunden sind. Zudem soll die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen einfacher umgesetzt werden können, damit gute Gehalts- und Arbeitsbedingungen für ganze Branchen gelten.

Letzte Änderung: 09.11.2023