Das 49 Euro-Ticket

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04.02.2023 Wird es zum Schwungrad für den Ausbau des ÖPNV?

Der ÖPNV steht derzeit im Fokus der verkehrspolitischen Diskussion. 52 Millionen verkaufte 9-Euro-Tickets zeigen: das Potenzial für eine klimaverträglichere Mobilitätskultur ist groß. Kann dieser Schwung die Verkehrswende entscheidend voranbringen? Die Bundesregierung hat das Ziel ausgegeben, dass Ende der 20er Jahre doppelt so viele Menschen mit Bus und Bahn unterwegs sind. Wie der geplante Ausbau- und Modernisierungspakt für den ÖPNV ausgestaltet werden muss, wurde am 13.12.2022 auf der Fachtagung "Das 49 Euro-Ticket als Schwungrad für den Ausbau des ÖPNV?" von DGB, ver.di und der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert.

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell formulierte aus Sicht des DGB drei zentrale Botschaften:

  • Das 49EUR-Ticket ist dann ein Erfolg, wenn es den Ausbau des ÖPNV beschleunigt und die Akzeptanz vergrößert.

Dazu muss das Deutschland-Ticket durchfinanziert sein, sonst könnten Kommunen schon bald gezwungen sein, Verkehre abzubestellen. Zweitens braucht der ÖPNV mehr Personal, einen Ausgleich für die Mehrbelastungen und generell bessere Arbeitsbedingungen, um der größeren Nachfrage gerecht zu werden. Und Drittens müssen alle Zugang zum Ticket haben. Deshalb brauchen wir neben einem digitalen auch ein Ticket auf Papier.

  • Der DGB fordert deshalb mit dem Bündnis Sozialverträgliche Mobilität ein Sozialticket für maximal 29 Euro.

Das 9-Euro-Ticket hat gezeigt, dass ein günstiges ÖPNV-Ticket Mobilitätsarmut beheben kann. Denn, Mobilität darf keine Frage des Einkommens sein. Das Deutschlandticket für 49 Euro ist ein wichtiger Schritt für die dringend notwendige Mobilitätswende, aber für viele schon zu teuer. Der DGB fordert deshalb mit dem Bündnis "Sozialverträgliche Mobilitätswende" ein bundesweit gültiges Sozialticket für maximal 29 Euro - und dass Bund und Länder genug Geld bereitstellen, damit keine Linien gestrichen, keine Ticketpreise erhöht und keine Löhne gekürzt werden.

  • Die Mobilitätswende ist nur mit massiven Investitionen in den ÖPNV, in moderne Infrastruktur, Fahrzeuge und mehr Personal zu schaffen.

Die Energiepreiskrise erhöhte den Druck, endlich eine Verkehrswende umzusetzen, die sozial und ökologisch gerecht ist. Die finanziellen Weichen für den flächendeckenden Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Stärkung des Umweltverbunds durch eine dichtere Taktung und mehr passgenau ineinandergreifende Angebote müssen jetzt gestellt werden. Andreas Schackert, Bundesfachgruppenleiter Busse und Bahnen bei ver.di, unterstrich zudem die Bedeutung guter Arbeitsbedingungen für den notwendigen Personalaufbau.

Verkehrsminister Wissing hingegen argumentierte in seiner Keynote, dass nicht nur eine Angebotsausweitung, sondern auch ein einfacheres Tarifsystem mehr Menschen in den ÖPNV bringen könne. Das hätte sich angesichts von 20 Prozent mehr Fahrgästen bewahrheitet. Aber er erkannte an, dass der 9-Euro-Sommer 2022 für die Beschäftigten ein "Kraftakt" gewesen ist.

Wissing warb für ein digitales Ticket, ungeachtet der Gefahr, dass nicht digital Bewanderte ausgeschlossen werden könnten. Sein Argument: das aus den Daten gewonnene Wissen könne nicht nur der Umwelt, sondern auch dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen. Dieser werde durch die Knappheiten bei Energie und Ressourcen "mindestens" herausgefordert.

Das Deutschlandticket ermögliche in der Fläche den einfachen Einstieg in den intermodalen Verkehr. Zudem wäre es - anders als gängige Nahverkehrs-Abos auch im Freizeitverkehr attraktiv. Aus seiner Sicht ein Ausdruck von Selbstbestimmung.

Wissing will sich nicht mit der Rolle des Financiers begnügen. Dem Bürger sei es egal, aus welchen Töpfen der Betrieb und die Infrastruktur bezuschusst werden. Deshalb komme es auf ein "gutes Miteinander" von Bund und Ländern an, um den Ausbau- und Modernisierungspakt (AMP) für den Nahverkehr auszugestalten. Sie müssten gemeinsam die Weichen für die Mobilität der Zukunft definieren.

Konkret machte er es am "Bahnhof der Zukunft" als intermodale Umsteigestation mit Radparkhäusern, digitaler Stellplatzreservierung und Ladestationen für E-Autos. Park & Ride müsse viel umfassender zur Wahl stehen, denn kein Stromnetz könne die gesamte Pendlerflotte versorgen.

Jan Schilling, ÖPNV-Geschäftsführer des VDV unterstrich, dass für den gewünschten Fahrgastaufwuchs ein Kapazitätsausbau unerlässlich ist. Wie der DGB sieht er das rein digitale Ticket kritisch, es werde erst am Ende kommen. Interessant seine Argumentation zur zukünftigen Finanzierung: Bisher stehe der Tarif für (teilweise) Nutzerfinanzierung. Die neuen Kriterien Klimaschutz und Einfachheit machten einen dauerhaften Ersatz für ausgefallene Finanzierungsbausteine erforderlich. Diese sollten durch Kürzungen bei klimaschädlichen Subventionen für den Autoverkehr gegengerechnet werden.

Letzte Änderung: 04.02.2023