Elektronische Krankschreibung

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10.01.2023 Arbeitsrechtliche Folgen der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab 2023

Ab dem 01.01.2023 besteht aufgrund der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbe-scheinigung (eAUB) nicht nur sozial-, sondern auch arbeitsrechtlich eine neue Rechtslage.

Im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) entfällt für die meisten Arbeitnehmer die bisherige Vorlagepflicht der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB), während die Krankenkasse die eAUB direkt dem Arbeitgeber zum Abruf zur Verfügung zu stellen hat (§ 109 Abs. 1 SGB IV in der ab dem 01.01.2023 geltenden Fassung).

1. Welche Pflichten bestehen ab dem 01.01.2023, wenn die Pflicht zur Vorlage der AUB entfällt?
Damit bestehen nun (ab dem 01.01.2023) folgende Pflichten gesetzlich krankenversicherter Arbeitnehmer im Falle einer Arbeitsunfähigkeit (AU):
- Weiterhin die Anzeigepflicht nach § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG: Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die AU und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.
- Darüber hinaus muss er nach dem ab 01.01.2023 geltenden § 5 Abs. 1a EFZG seine AU und die voraussichtliche Dauer zu den Zeitpunkten nach § 5 Abs. 1 S. 2 bis 4 EFZG ärztlich feststellen lassen, also, wenn der Arbeitgeber keinen früheren Zeitpunkt verlangt, spätestens an dem Arbeitstag, der auf den dritten Kalendertag ab Eintritt der AU folgt.
- Schließlich ist er verpflichtet, sich eine ärztliche Bescheinigung des behandelnden Arztes aushändigen zu lassen.
Die dem Arbeitnehmer ausgehändigte Bescheinigung kann ihm weiterhin als ihm verfügbares Beweismittel mit hohem Beweiswert dienen, wenn der Arbeitgeber die AU in Frage stellt (vgl. BT-Drucks. 19/13959, 37, 39; BAG 8.9.2021, 5 AZR 149/21, Rn. 12 f.).

2. Gilt das für alle Arbeitnehmer?
- Die Neuregelung gilt auch für geringfügig Beschäftigte, die nicht in Privathaushalten beschäftigt werden. Sie gilt aber nicht für
Gesetzlich Versicherte, die sich durch Ärzte untersuchen lassen, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen.
- Privatversicherte.
- Geringfügig in Privathaushalten Beschäftigte.
Für diese Beschäftigtengruppen bleibt es bei den bisherigen Anzeige- und Vorlagepflichten nach § 5 Abs. 1 S. 2 bis 4 EFZG, also mit Vorlagepflicht der AU-Bescheinigung in Papierform ("gelber Schein") beim Arbeitgeber.

3. Was passiert, wenn ein ab dem 01.01.2023 nicht mehr zur Vorlage einer AUB verpflichteter Arbeitnehmer zu spät oder gar nicht zum Arzt geht, um seine AU ärztlich feststellen zu lassen?
Wenn der Arbeitnehmer nicht oder nicht innerhalb der Frist von 3 Kalendertagen oder auf Ver-langen des Arbeitgebers früher (siehe oben) zum Arzt geht, um seine AU feststellen zu lassen, droht ihm unter Umständen folgendes: Der Arbeitgeber könnte im Einzelfall die Arbeitsunfähig-keit bestreiten und die Entgeltzahlung verweigern. Wegen einer vom Arbeitnehmer verschuldet nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung könnte er zudem je nach Sachlage abmahnen oder kündigen. Dem Arbeitgeber steht zwar kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 EFZG zu, wenn der Arbeitnehmer die Feststellung der AU durch einen Arzt nicht (rechtzeitig) ermöglicht, denn § 5 Abs. 1a EFZG wird in § 7 EFZG nicht genannt. Es muss aber aus den genannten Grün-den dringend geraten werden, rechtzeitig zur ärztlichen Untersuchung zu gehen. Schon im eigenen Interesse sollte sich der Arbeitnehmer dabei von seinem Arzt die ärztliche Bescheinigung aushändigen lassen, um ein starkes Beweismittel für die vorliegende Arbeitsunfähigkeit in die Hand zu bekommen.

4. Gelten tarif- oder arbeitsvertraglich geregelte Vorlagepflichten weiter, wenn die gesetzliche Vorlagepflicht nach § 5 Abs. 1a EFZG ab 01.01.2023 entfallen ist?
Nein! Nach § 12 EFZG kann vom Gesetz zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer nicht abgewichen werden. Abweichende Regelungen sind insoweit unwirksam.

5. Sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates berührt?
Wenn der Arbeitgeber nach § 5 Abs.1a EFZG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG betrieblich eine frühere ärztliche Untersuchung einführt, besteht für den Betriebsrat genauso wie bei einer vorgezogenen Vorlagepflicht (dazu BAG 23.8.2016, 1 ABR 43/14, Rn. 15) das Mitbestimmungs-recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Betriebliche Regelungen zu Anzeige- und Untersuchungs-pflichten sind mitbestimmungspflichtig. Darüber hinaus unterliegt die arbeitgeberseitige Verarbeitung der Arbeitsunfähigkeitsdaten regelmäßig auch dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

Letzte Änderung: 09.01.2023