Berufliche Weiterbildung

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08.12.2018 Wann bezahlt das Arbeitsamt? Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 20.07.15, S 5 AL 488/15

Die Bundesagentur für Arbeit hat in erster Linie die Aufgabe, Arbeitslosen zu einer Beschäftigung zu verhelfen. Ein Mittel dazu ist, Arbeitslose fortzubilden oder umzuschulen. Aber welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Bundesagentur solche Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung fördert?

Die Förderung der beruflichen Weiterbildung ist in den Vorschriften des Sozialgesetzbuches III geregelt.

Dabei geht es vor allem um zwei Fragen:

Übernimmt die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Kosten der Weiterbildung?
Bezahlt die BA während der Weiterbildung Arbeitslosengeld?

Gibt es einen Anspruch auf Übernahme der Weiterbildungskosten?

Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass die BA Antragsteller*innen fördern kann, indem sie die Kosten der Weitebildung übernimmt. Das bedeutet, es steht im Ermessen der BA, einen entsprechenden Antrag selbst dann abzulehnen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei muss sie allerdings alle wichtigen Gesichtspunkte beachten. Und sie muss in jedem Fall eine Gesamtabwägung der Gesichtspunkte vornehmen, die für oder gegen eine Übernahme der Kosten sprechen. Nur in ganz eindeutigen Fällen reduziert sich das Ermessen der BA auf null. Dann besteht ausnahmsweise ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Weiterbildung.

Welche Voraussetzungen hat eine Kostenübernahme?
Eine Übernahme der Kosten setzt voraus:

  • einen rechtzeitigen Antrag
  • die Notwendigkeit der Weiterbildung
  • die Zulassung der Maßnahme zur Weiterbildung und ihres Trägers
  • die vorherige Beratung durch die BA.

Voraussetzung 1: Der rechtzeitige Antrag
Der Antrag ist unbedingt vor Beginn der Maßnahme zu stellen. Eine nachträgliche Übernahme der Kosten kommt allenfalls ausnahmsweise in Betracht, wenn die Ablehnung zu einer unbilligen Härte führte. Das ist etwa der Fall, wenn der Antrag zu spät kommt, weil die BA falsch beraten hat.
An eine bestimmte Form ist der Antrag nicht gebunden. Es ist also möglich, ihn mündlich zu stellen. Die Antragsformulare der BA sind aber auch dann nachträglich auszufüllen.

Der Antrag ist an die BA zu richten. Dabei spielt es keine Rolle, ob Antragsteller*innen aktuell Arbeitslosengeld beziehen oder nicht. Nur, wenn sie Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beziehen, müssen sie ihren Antrag beim Jobcenter stellen.

Voraussetzung 2: Die Notwendigkeit der Weiterbildung
Die Weiterbildung muss notwendig sein, um bestehende Arbeitslosigkeit zu beenden oder drohende Arbeitslosigkeit zu verhindern.

Um die Notwendigkeit beurteilen zu können, ist eine individuelle Eingliederungsprognose erforderlich. Dabei sind das Alter, die Berufserfahrung sowie bereits vorhandene Qualifikationen der Antragsteller*innen zu berücksichtigen. Außerdem ist von wesentlicher Bedeutung, wie wahrscheinlich es ist, dass die Weiterbildung Arbeitslosigkeit beendet oder verhindert. Die Maßnahme muss die Aussicht rechtfertigen, dass Antragsteller*innen danach einen angemessenen Arbeitsplatz finden.

Eine Notwendigkeit scheidet aus, wenn Antragsteller*innen für das angestrebte Bildungsziel nicht geeignet sind. Das ist etwa der Fall, wenn die Weiterbildungsmaßnahme Sprachkenntnisse voraussetzt, die nicht vorhanden sind.
Hilfreich kann dagegen die - ernst gemeinte - Erklärung eines Arbeitgebers sein, er biete nach der Maßnahme einen Arbeitsplatz an.

Besondere Regelung für zwei Gruppen
Der Gesetzgeber schreibt vor, dass bei zwei Gruppen von vorn herein von der Notwendigkeit einer Weiterbildung auszugehen ist.

In der einen Gruppe sind Menschen, die über keinen Berufsabschluss verfügen, für den eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren vorgeschrieben ist. Sie müssen allerdings mindestens drei Jahre "beruflich tätig" gewesen sein. Darunter fallen unter anderem auch Zeiten einer abgebrochenen Berufsausbildung, selbständige Tätigkeiten oder ein Studium. Liegen die drei Jahre "beruflicher Tätigkeit" nicht vor, kommt eine Kostenübernahme nur in Betracht, wenn eine normale Berufsausbildung oder eine vorbereitende Bildungsmaßnahme aus persönlichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

In der anderen Gruppe sind Menschen, die zwar einen Berufsabschluss besitzen, aber in diesem Beruf voraussichtlich nicht mehr arbeiten können, weil sie ihn mehr als vier Jahre nicht mehr ausgeübt haben.

Beiden Gruppen gemeinsam ist, dass die BA sie fördern kann, auch wenn sie weder arbeitslos noch von Arbeitslosigkeit bedroht sind.

Voraussetzung 3: Die Zulassung von Maßnahme und Träger
Zuständig für die Zulassung sind die so genannten Zertifizierungsagenturen, die nicht Teil der BA sind. Diese Zertifizierungsagenturen überprüfen sowohl die Maßnahmen als auch deren Träger auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit und Qualität.

Eine Maßnahme erhält die Zulassung für längstens drei Jahre. Danach ist eine neue Überprüfung angesagt.

Kommt die Zertifizierungsagentur zu dem Ergebnis, dass ein Träger oder/und eine Maßnahme die rechtlichen Anforderungen nicht mehr erfüllt, ist die Zulassung zu entziehen.

Voraussetzung 4: Die vorherige Beratung durch die BA
Die Beratung soll sicherstellen, dass Antragsteller*innen und die ins Auge gefasste Maßnahme für eine berufliche Eingliederung geeignet sind.
Dessen ungeachtet ist es ratsam, sich bereits vor der Beratung kundig zu machen, welcher Träger welche Maßnahmen anbietet. Denn nichts ist misslicher, als nach der Beratung festzustellen, dass die perfekte Maßnahme bereits vor zwei Monaten angefangen hat und der nächste Kurs erst in einem Jahr beginnt.
Mit einer verbindlichen Anmeldung zur Maßnahme sollten Antragsteller*innen aber auf jeden Fall warten, bis die Beratung erfolgt und ein positiver Bescheid ergangen ist. Tun sie dies nicht, müssen sie die Maßnahme in aller Regel aus der eigenen Tasche bezahlen.

Die BA muss einen Termin zur Beratung innerhalb einer angemessenen Zeit anbieten. Andernfalls sollten Antragsteller*innen den einstweiligen Rechtsschutz beim zuständigen Sozialgericht in Anspruch nehmen, wenn die Teilnahme an einer geeigneten Maßnahme wegen einer Bummelei der BA zu scheitern droht.

Welche Kosten übernimmt die BA?
Zu den Weiterbildungskosten gehören

  • Lehrgangskosten
  • Fahrtkosten
  • Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung
  • Kosten für Kinderbetreuung
  • Kosten für die Eignungsfeststellung.

Sonderfall Hauptschulabschluss
Möglich ist auch, dass die BA die Kosten eines Lehrgangs übernimmt, bei dem Antragsteller*innen den Hauptschulabschluss erwerben können.

Dazu müssen sie alle vier oben beschriebenen Voraussetzungen erfüllen. Darüber hinaus muss zu erwarten sein, dass sie an der Maßnahme erfolgreich teilnehmen werden.

Eine Förderung ist außerdem nur möglich bei Antragsteller*innen, die die allgemeine Schulpflicht von neun oder zehn Jahren (je nach Bundesland) erfüllt haben.

Dauer der Maßnahme
Die BA darf nur Maßnahmen fördern, deren Dauer im Hinblick auf das Ergebnis angemessen ist. Die Dauer für eine Weiterbildung zu einem allgemein anerkannten Ausbildungsberuf ist beispielsweise nur angemessen, wenn gegenüber einer entsprechenden Berufsausbildung um ein Drittel gekürzt ist. Besondere Regelungen bestehen im Bereich der Kranken- und Altenpflegeausbildung. Hier darf die BA auch Maßnahmen fördern, die im Verhältnis zur regulären Ausbildung nicht gekürzt sind.

Eine Mindestdauer für eine Maßnahme gibt es andererseits nicht. Deshalb sind auch kurze Qualifizierungsmaßnahmen möglich wie etwa der Erwerb eines Gabelstapler- oder Taxischeins.

Bildungsgutschein
Hat die BA beschlossen, eine Weiterbildung durch Übernahme der Kosten zu fördern, stellt sie darüber eine Bescheinigung aus. Diese Bescheinigung heißt Bildungsgutschein.
Wer einen Bildungsgutschein hat, kann sich im Rahmen des Bildungsziels frei aussuchen, an welcher Maßnahme er bei welchem Träger teilnehmen will. Vorgaben der BA sind weder im Bildungsgutschein noch in einer eventuellen Eingliederungsvereinbarung zulässig.

Vergleiche zur Eingliederungsvereinbarung:
Eingliederungsvereinbarung - was ist das denn?

Im Bildungsgutschein darf die BA eine Gültigkeitsdauer festlegen. Beginnt die Maßnahme nicht fristgerecht, verfällt der Bildungsgutschein. Das gilt auch, wenn Antragsteller*innen trotz eifriger Bemühungen innerhalb der Frist keine geeignete Maßnahme finden. In diesem Fall können sie aber einen neuen Bildungsgutschein verlangen. Dasselbe gilt, wenn der Träger eine geeignete Maßnahme mangels ausreichender Teilnehmerzahl absagt.

Antragsteller*innen, die trotz Bildungsgutscheins an keiner Maßnahme teilnehmen, dürfen eine Sperrzeit nur bekommen, wenn sie sich in einer Eingliederungsvereinbarung verpflichtet haben, vom Bildungsgutschein Gebrauch zu machen. Aber in der Praxis werden solche Fälle kaum vorkommen. Denn wer eine Förderung beantragt, wird in den seltensten Fällen vom Bildungsgutschein keinen Gebrauch machen.

Was tun bei negativen Bescheid der BA?
Verweigert die BA den Bildungsgutschein, ist dagegen Widerspruch und Klage zum Sozialgericht möglich. Beides hat jedoch keine aufschiebende Wirkung. Möglich ist aber, einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht zu beantragen.

Vergleiche dazu im Einzelnen:

Wenn's pressiert: einstweiliger Rechtsschutz beim Sozialgericht

Gibt es einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung?
Im Gegensatz zur Kostenübernahme hat die BA kein Ermessen, wenn es um das Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung geht. Hat sie einmal erklärt, dass sie eine Maßnahme durch Übernahme der Kosten fördert, muss sie während der Maßnahme auch Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung bezahlen. Das gilt aber nur, wenn die Antragsteller*innen die übrigen Voraussetzungen für Arbeitslosengeld wie Anwartschaftszeit und Arbeitslosenmeldung erfüllen.

Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung nur bei Teilnahme an der Maßnahme?

Das Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung ist auch dann ungekürzt zu gewähren, wenn Antragsteller*innen an einzelnen Tagen nicht an der Maßnahme teilnehmen. Aber Vorsicht! Die Träger sind gesetzlich verpflichtet, der BA alle Fehlzeiten zu melden. Kommt die BA aufgrund solcher Meldungen zu dem Ergebnis, dass ein erfolgreicher Abschluss wegen der Fehlzeiten nicht möglich ist, kann sie das Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung einstellen und entziehen. In diesem Fall ist aber zu prüfen, ob ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit besteht.

Erkrankung während der Maßnahme
Hier gilt die Regelung für das Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit auch für das Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung. Die BA ist also verpflichtet, auch das Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung sechs Wochen lang weiter zu bezahlen.

Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengelds bei beruflicher Weiterbildung
Die BA muss das Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung ist für die gesamte Dauer der Weiterbildung bezahlen. Das gilt nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.07.15 (Aktenzeichen S 5 AL 488/15) auch dann wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit schon vorher endet.

Arbeitslos nach dem Ende der Weiterbildung
Im Idealfall führt die Weiterbildung dazu, dass die Arbeitslosigkeit endet, weil sich aufgrund der verbesserten Qualifikation ein Arbeitsplatz findet. Besteht aber trotz der Maßnahme weiterhin Arbeitslosigkeit, besteht Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, soweit er noch nicht aufgebraucht ist und die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei ist zu beachten, dass jeder Tag, an dem Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung fließt, die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit um einen halben Tag mindert. Diese Minderung kann die BA aber nur vornehmen, so lange noch ein Rest von mindestens 30 Tagen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit übrig bleibt. Das soll verhindern, dass Teilnehmer*innen einer Maßnahme, die nicht sofort im Anschluss daran einen Arbeitsplatz finden, unmittelbar nach der Maßnahme mittellos dastehen.

Letzte Änderung: 18.11.2019