BAG: Fahrt zum Kunden ist Arbeitszeit

Vorschaubild

03.07.2022 Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden: Zur Arbeitszeit gehören für einen Monteur im Außendienst auch die Fahrten zum Kunden und zurück zur eigenen Wohnung.

Diese Zeiten sind nach Tarif oder mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten. Mehr Geld steht dem Mitarbeiter aber nur zu, soweit sein Tarifgehalt diese Zeiten nicht schon abdeckt - so das BAG.

Der Arbeitnehmer ist Aufzugs- und Inspektionsmonteur im Außendienst. Er verlangt von seinem Arbeitgeber die Vergütung der Fahrten von seiner Wohnung zum ersten Kunden des Arbeitstags und vom letzten Kunden zurück zur Wohnung als Arbeitszeit.

Der Monteur ist seit 1988 bei seiner Arbeitgeberin als beschäftigt und Mitglied des dort gebildeten Betriebsrats. Er erhält ein Bruttomonatsgehalt von 4.376,00 Euro bei einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 35 Stunden. Ihm steht ein Dienstwagen zur Verfügung, den er auch privat nutzen kann.

Monteur will Vergütung von Fahrtzeiten
Für das Arbeitsverhältnis gilt der Bundesmontagetarifvertrag (BMTV) in der Fassung vom 20.6.2001. Nach dem BMTV erhalten Mitarbeiter für Fahrten zu auswärtigen Montagearbeiten im Nahbereich (sog. "Nahmontage"), die mit dem Arbeitstag enden, keine gesonderte Vergütung, sondern einen pauschalen Zuschlag, die "Nahauslösung" Eine Vergütung für den Zeitaufwand der Hin- und Rückreise schließt der Tarifvertrag ausdrücklich aus.

Der Arbeitgeber weist den Monteuren monatlich die jeweils zu wartenden Aufzugsanlagen in Sammelaufträgen zu. Mit Ausnahme von Not- und Störfällen können die Monteure im Wesentlichen frei einteilen, an welchen Tagen und in welcher Reihenfolge sie die Kunden aufsuchen.

Der Arbeitnehmer erhob Klage und fordert vom Arbeitgeber, ihm die Fahrten zum ersten Kunden und zurück als Arbeitszeit anzuerkennen und zu vergüten. Für den Zeitraum Dezember 2015 bis November 2016 ergäben sich 278 Überstunden, die mit einem Satz von 35,20 Euro brutto (insgesamt 9785,60 Euro) abzugelten seien.

BAG: Kein Anspruch auf zusätzliche Vergütung
Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Dem Monteur steht keine zusätzliche Vergütung für die Fahrten zu.

Im Sinne des Klägers bestätigten die Richter in Erfurt, dass die Zeiten der ersten Fahrt morgens zum ersten Kunden ebenso wie die letzte Fahrt des Tages vom letzten Kunden zurück nach Hause Arbeitszeit sind, im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) und der EU-Arbeitszeitrichtlinie.

Allerdings regelt der Tarifvertrag ausdrücklich, dass mit der "Nahauslösung" und dem Tarifentgelt der Arbeitstag einschließlich Hin- und Rückfahrt abgegolten sind. Dieses tarifliche Vergütungskonzept hätten die Gerichte für Arbeitssachen hinzunehmen, da der Ermessensspielraum der Tarifpartner hier nicht überschritten sei.

Mindestlohn auch hier gesichert
Für ähnlich gelagerte Fälle trifft das BAG aber im Urteil aber eine wichtige Aussage: Als Arbeitszeit sind die betreffenden Fahrten mindestlohnpflichtig im Sinne von § 1 Mindestlohngesetz (MiLoG). Ein Tarifvertrag kann nicht über den gesetzlichen Mindestlohn disponieren, ihn also auch nicht für bestimmte Teile der Arbeitszeit ausschließen.

Das bedeute aber nicht, dass der Arbeitnehmer für diese Zeiten den Mindestlohn zusätzlich zum sonst geschuldeten Tarifentgelt verlangen kann. Vielmehr sei es ausreichend, wenn das tarifliche Gesamtentgelt, geteilt durch alle Arbeitszeitstunden einschließlich der An- und Rückfahrten, höher sei als der gesetzliche Mindestlohn.

Das war vorliegend der Fall. Wie das BAG anmerkt, würde das Bruttomonatsgehalt des Klägers von 4.376,00 Euro rechnerisch monatlich 514 Arbeitsstunden zum 2016 geltenden Mindestlohn (von 8,50 Euro) abdecken. Damit waren nach Ansicht des BAG auch die vom Kläger geltend gemachten 278 Stunden für 2016 abgegolten.

Letzte Änderung: 16.06.2022