Halbzeitbilanz von Grünen und CDU

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26.09.2018 Für Grün-Schwarz im Baden-Württemberg sind Beschäftigteninteressen nachrangig

Der DGB Baden-Württemberg stellt der Landesregierung zur Halbzeit ein durchwachsenes Zeugnis aus. Für Grün-Schwarz seien die Interessen der Beschäftigten in diesem Land immer noch nachrangig, kritisierte der Deutsche Gewerkschaftsbund anlässlich der Pressekonferenz der beiden Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien, Andreas Schwarz (Grüne) und Wolfgang Reinhart (CDU).

Positiv beurteilt der DGB, dass Grüne und CDU daran arbeiten wollen, die technologische Spitzenstellung Baden-Württembergs in Europa zu erhalten. Doch vermisst der Dachverband der Gewerkschaften bei der Landesregierung eine wirtschafts- und beschäftigungspolitische Gesamtstrategie.

"Baden-Württemberg steht vor weitreichenden Veränderungen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt. Ob Transformation der Automobilindustrie, Energiewende oder die weitere Digitalisierung in allen Wirtschaftszweigen und in den Verwaltungen: überall wird sich Grundlegendes verändern.

Einzelmaßnahmen und einzelne Projekte reichen nicht aus, diesen Prozess im Sinne der Beschäftigten zu steuern. Das Land braucht eine durchfinanzierte Gesamtstrategie mit ehrgeizigen Zielen. Diese muss mit den Sozialpartnern auf Augenhöhe erarbeitet werden. Im Mittelpunkt dabei muss die Sicherung von guter Arbeit, Wohlstand und Wertschöpfung in Baden-Württemberg stehen", argumentierte Martin Kunzmann. Fortschritt lasse sich nicht allein daran messen, wie viele Glasfaserkabel vergraben werden oder wie viele Laptops in Schulen stehen.

Der DGB-Landesvorsitzende Martin Kunzmann sagte: "Gesetze aus der Regierungszeit von Grün-Rot, die mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt geschaffen haben, werden zur Disposition gestellt anstatt verbessert zu werden: Das gilt für das Bildungszeitgesetz genauso wie für das Landestariftreue- und Mindestlohngesetz. Das Bildungszeitgesetz wird stümperhaft evaluiert. Ich befürchte, dass die Koalition die gerade in diesen Zeiten unverzichtbare politische Bildung zurückfahren will. Der DGB dringt darauf, dass der Anspruch der Beschäftigten auf Bildungszeit nicht beschnitten, sondern vielmehr ausgeweitet wird - etwa für die Beschäftigten in Kleinbetrieben. Zudem sollte die Bildungszeit durch ein vereinfachtes Anmeldeverfahren noch attraktiver gemacht werden.

Beim Landestariftreue- und Mindestlohngesetz, das ebenfalls derzeit evaluiert wird, gibt es bisher keine Signale, dass es zu einem wirkungsvollen Vergabegesetz weiterentwickelt wird, wie es andere Bundesländer längst haben. Das Land und die Kommunen vergeben jährlich Aufträge in Milliardenhöhe. Ein zeitgemäßes Vergabegesetz könnte sicherstellen, dass mit Steuergeldern finanzierte Aufträge der öffentlichen Hand nur an tariftreue Betriebe vergeben werden. Dies wäre ein wirkungsvoller Hebel, um Tariftreue zu belohnen und Lohndumping einzugrenzen. Gleichzeitig würden die Sozialkassen und der Fiskus selbst durch höhere Einnahmen gestärkt. Berücksichtigt man die Lohnunterschiede zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Betrieben von zehn Prozent und mehr, ist der Schaden, den Tarifflucht für Staat und Sozialkassen allein in Baden-Württemberg verursacht, gigantisch. Darauf nicht zu reagieren, ist fahrlässig.

Deshalb gilt es, die Tarifbindung im Land zu stärken, prekäre Beschäftigung zurückzudrängen und Tarifflucht nicht auch noch mit öffentlichen Aufträgen zu belohnen. So könnte Baden-Württemberg zum Musterland für gute Arbeit werden."

Die stellvertretende Landesvorsitzende Gabriele Frenzer-Wolf ergänzte: "Auch in der Bildungspolitik sehen wir mehr Trippel- und Rückschritte als Fortschritte. Grün-Schwarz behandelt die Gemeinschaftsschule als Ort für längeres gemeinsames Lernen und besserer individueller Förderung aller SchülerInnen stiefmütterlich. Der Ganztagesausbau wird nicht konsequent vorangetrieben. Unbesetzte Lehrerstellen und Unterrichtsausfälle bei den Betreuungsangeboten gehören zum Alltag der Schulkinder und ihrer Eltern."

Kunzmann forderte, dass bei der Wohnungspolitik eindeutig mehr getan werden müsse: "Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum im Land steigt seit Jahren. Unter der Wohnungsknappheit leiden inzwischen auch Beschäftigte mit durchschnittlichem Einkommen. Um eine Entspannung auf dem Markt zu erreichen, reichen Volumen und Maßnahmen des Förderprogramms "Wohnungsbau BW" nicht aus. Die Mittel müssen auf insgesamt 500 Millionen Euro pro Jahr verdoppelt werden, damit die Zahl fertiggestellter Wohnungen von rund 33.500 Wohnungen auf die jährlich benötigten 70.000 Einheiten steigt. Außerdem muss das Land selbst als Akteur auf dem Markt auftreten und die Verwendung der Landesmittel direkt steuern. Ein wirksames Instrument hierfür ist die Neugründung einer Landesentwicklungsgesellschaft, wie sie Baden-Württemberg einmal hatte."

Der DGB-Landesvorsitzende begrüßte es, dass die Koalition die öffentlichen Investitionen deutlich erhöht hat. "Es ist gut, dass begonnen wird, den Investitionsstau in vielen Bereichen abzubauen. Allerdings reichen die eingesetzten Mittel nicht aus, dies gilt für die Infrastruktur genauso wie für die Krankenhausfinanzierung. Solange die Finanz- und Investitionspolitik dem Dogma der schwarzen Null untergeordnet wird, schränkt die Kiwi-Koalition ihren politischen Gestaltungsspielraum viel zu stark ein. Deshalb ist es unverständlich, dass die Schuldenbremse nun auch noch in die Landesverfassung aufgenommen werden soll."

Auf Unverständnis stößt beim DGB, dass Grüne und CDU die im Koalitionsvertrag verabredete Reform des Landtagswahlrechtes wohl endgültig ad acta gelegt haben. Gabriele Frenzer-Wolf: "100 Jahre nach Einführung des Frauenrechts ist es an der Zeit, die Weichen zu stellen, um mehr Frauen in die Parlamente zu bringen. Es ist ärgerlich, dass sich die CDU-Fraktion dagegen mit Händen und Füßen sperrt. Und es ist enttäuschend, dass die Grünen-Fraktion dies offenbar so hinnimmt."

Letzte Änderung: 25.09.2018