Tag der Arbeit in Baden-Württemberg:

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03.05.2018 DGB-Landesvorsitzender Kunzmann ruft in Freiburg dazu auf, die Spaltung des Arbeitsmarktes zu überwinden

Alle Beschäftigten haben ein Recht auf gute und tarifgebundene
Arbeit!

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter im ganzen Land begehen heute den Tag der Arbeit. Er steht unter dem Motto: "Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit". Der DGB Baden-Württemberg richtet am 1. Mai 41 Veranstaltungen aus, rund um den Tag der Arbeit sind es insgesamt 52. Bei der diesjährigen Hauptkundgebung in Freiburg rief der DGB-Landesvorsitzende Martin Kunzmann die Arbeitgeber dazu auf, die Spaltung des Arbeitsmarktes zu überwinden.

Kunzmann: "Tarifverträge sind eine Voraussetzung für gute und sichere Arbeitsplätze. Deshalb muss die Tarifbindung dringend gestärkt werden. Im Südwesten profitieren nur noch gut 50 Prozent der Beschäftigten von einem Flächentarifvertrag. Tarifflucht und Tariflosigkeit bedeuten Schmutzkonkurrenz gegenüber den tarifgebundenen Betrieben. Betriebe ohne Tarifverträge verschaffen sich durch niedrigere Entgelte und längere Arbeitszeiten einen unlauteren Wettbewerbsvorteil - auf Kosten ihrer Belegschaft. Tarifverträge sind die Basis für eine faire Bezahlung. Beschäftigte, die nicht durch Tarifverträge geschützt sind, verdienen im Schnitt gut ein Viertel weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen mit Tarifverträgen. Insbesondere Frauen profitieren von Tarifverträgen, weil sie Diskriminierungen verhindern."

Der DGB-Landeschef ermahnte die Arbeitgeber zudem, mehr Mitbestimmung in den Betrieben und in der öffentlichen Verwaltung zu verankern. In Baden- Württemberg würden nur noch 48 Prozent der Beschäftigten von einem Betriebsrat vertreten. Einschüchterungsversuche seitens der Arbeitgeber gebe es noch immer, wenn es um die Gründung eines Betriebsrates gehe. Dies seien klare Rechtsverstöße. Die Rechte der Beschäftigten, Betriebs- und Personalräte zu wählen, seien eindeutig gesetzlich geregelt.

Der DGB Baden-Württemberg hat die grün-schwarze Landesregierung wiederholt aufgefordert, gemeinsam mit den Gewerkschaften ein Bündnis für Tarifbindung und Mitbestimmung zu schmieden. Daran erinnerte Kunzmann in seiner Mai-Rede. Er sei enttäuscht, dass die Landesregierung Tarifbindung und Mitbestimmung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht zu einem verbindlichen Kritierium machen wolle: "Hier geht etwa Mecklenburg-Vorpommern mit gutem Beispiel voran. Was der Nordosten kann, sollte der Südwesten auch können!"

Auch die Bundesregierung belasse es bei Lippenbekenntnissen, kritisierte Kunzmann. Trotz anderslautender Versprechen der Kanzlerin fänden sich im Koalitionsvertrag von Union und SPD keine konkreten Vorhaben, die Tarifbindung zu stärken.

Neben Tarifverträgen und Mitbestimmung sei die Qualifizierung von Beschäftigten ein wesentliches Instrumente, um Beschäftigung zu sichern und aufzubauen. Angesichts des tiefgreifenden Strukturwandels, der Digitalisierung und sich beschleunigenden Veränderungen in der Arbeitswelt müssten diese Instrumente viel stärker als bisher genutzt werden. Ziel müsse sein, die Beschäftigten in die Veränderungsprozesse einzubinden. Kunzmann: "Durch die Digitalisierung bricht der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit an vielen Stellen wieder stärker auf. Weltumspannende Konzerne wie Amazon diktieren die Bedingungen, zu denen Menschen in den USA, in Indien und bei uns arbeiten. Online-Plattformen und Lieferdienste, die nach dem Prinzip Heuern und Feuern arbeiten, fördern prekäre Beschäftigung. Viele Arbeitgeber nutzen Leiharbeit und Werkverträge immer noch, um Löhne zu drücken und reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu vermeiden. Auch im öffentlichen Dienst gibt es sachgrundlos befristete Arbeitsverträge in einem erschreckenden Ausmaß, weil die öffentlichen Haushalte unter einem Dauer-Spardiktat stehen."

Die Spaltung des Arbeitsmarktes vertiefe die soziale Spaltung in unserem Land, die es wegen der ungleichen Vermögensverteilung ohnehin schon gebe. Trotz guter Tarifabschlüsse, die die Gewerkschaften 2018 bereits erzielt hätten, profitierten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht vom wirtschaftlichen Aufschwung. Mit rund acht Millionen Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiteten, belege Deutschland einen unrühmlichen Spitzenplatz in Europa.

Nun zeige sich, dass die Eindämmung der Leiharbeit durch das im April 2017 in Kraft getretene Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht umfassend gelungen sei, sagte der DGB-Landesvorsitzende weiter. Die Unternehmen nutzten die Schlupflöcher des Gesetzes, indem sie Beschäftigte nach der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer von neun Monaten einfach entließen. "Solchen Praktiken muss die neue große Koalition dringend einen Riegel vorschieben." Trotz einer Reihe positiver Vorhaben wage die Bundesregierung keinen Aufbruch hin zu mehr Gerechtigkeit. Die Verteilungsfrage werde praktisch nicht gestellt, in der Rentenpolitik fehle ein langfristiges Konzept und wegen der Fixierung auf die schwarze Null investiere die öffentliche Hand viel zu wenig. Dies gelte für die Infrastruktur ebenso wie für die Bildungs- und die Wohnungspolitik. "Viele Menschen sind von Armut bedroht, weil die Miete ihre Zahlungskraft übersteigt. Allein in den Großstädten müssen 1,3 Millionen Haushalte mit weniger als dem Hartz-IV-Satz auskommen. Die Versorgung mit Wohnungen darf deshalb nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden," sagte Kunzmann an die Adresse der Regierungskoalitionen in Berlin und Stuttgart.

Letzte Änderung: 03.05.2018