BAG: Grenzen des Weisungsrechts

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19.02.2018 Nach früherer Rechtsprechung war der Arbeitnehmer verpflichtet auch unbillige Weisungen zu befolgen. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18. Oktober 2017 nicht mehr der Fall.

Häufig kommt es vor, dass Arbeitgeber von Beschäftigten verlangen, dass sie künftig in einem anderen Werk arbeiten oder ganz andere Tätigkeiten ausüben sollen. Was das Bundesarbeitsgericht kürzlich in solchen Fällen entschieden hat, erläutert Tjark Menssen.

In den meisten Arbeitsverträgen ist die Arbeitspflicht hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Leistung nicht näher festgelegt oder - wo dies doch der Fall sein sollte - mit einem Versetzungsvorbehalt des Arbeitgebers verbunden. Es obliegt dann dem Arbeitgeber, entsprechende Weisungen zu erteilen.

Allerdings ist dieses Weisungsrecht nach Paragraf 106 Gewerbeordnung begrenzt. Die nähere Bestimmung muss nach sogenanntem billigen Ermessen erfolgen. Was das im einzelnen heißt, ist ziemlich unbestimmt. Erforderlich ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen.

Während nach früherer Rechtsprechung der Arbeitnehmer verpflichtet war, bis zu einer gerichtlichen Klärung auch unbillige Weisungen zu befolgen, ist dies nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18. Oktober 2017 nicht mehr der Fall (10 AZR 330/16).

Es hat entschieden, dass Beschäftigte nicht mehr an Weisungen gebunden sind, welche die Grenzen billigen Ermessens überschreiten. Ein Arbeitnehmer braucht solche Weisungen nicht - auch nicht vorläufig - zu befolgen und riskiert damit auch weder seinen Entgeltanspruch noch sein Arbeitsverhältnis. Im Streitfall trifft den Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich seine Weisung in den Grenzen billigen Ermessens gehalten hat.

Keine Pflicht
Eine Verpflichtung, sich gegen unbillige Weisungen zu wehren, besteht nicht. Werden sie längere Zeit hingenommen, kann das Recht zur Geltendmachung der Unbilligkeit allerdings verwirkt werden.

Trotz der insgesamt positiv einzuschätzenden Entscheidung, verbleibt das Risiko beim Arbeitnehmer. Stellt sich nämlich im Streitfall vor Gericht heraus, dass die Weisung des Arbeitgebers doch rechtens war, so sind im Verweigerungsfall Vergütungsansprüche entfallen und Sanktionen wie Abmahnung oder Kündigung wirksam.

Deshalb sollten Beschäftigte - außer in Fällen ganz klarer oder offensichtlicher Unbilligkeit -Weisungen zunächst befolgen und gegebenenfalls einen Vorbehalt äußern, die Rechtswirksamkeit gerichtlich klären zu lassen.

Gleicher Arbeitsort
In der Praxis kommt es häufig vor, dass Aufgaben und Arbeitsort über lange Zeit gleich geblieben sind. In einem solchen Fall hat aber die Nichtausübung des Direktionsrechts nicht bereits zur Folge, dass sich das Arbeitsverhältnis insoweit konkretisiert hat und nicht mehr durch anderweitige Weisungen verändert werden kann. Das hat das BAG bereits am 13. Juni 2012 entschieden (10 AZR 296/11).

Nach dem Urteil vom 18. Oktober 2017 kann die Befolgung von Anweisungen des Arbeitgebers nach Paragraf 275 Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch verweigert werden, wenn die Weisung zum Zeitpunkt ihrer Erteilung rechtmäßig war, aber später die Unzumutbarkeit eintritt, etwa wegen eines erst nach der Weisung entstehenden Gewissenskonflikts des Beschäftigten.

Info: IG Metall-Mitglieder werden vor den Arbeits- und Sozialgerichten bei Bedarf kostenlos von Juristinnen und Juristen der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Erste Anlaufstelle bei Problemen ist die IG Metall Pforzheim.

Letzte Änderung: 16.02.2018