LAG-Urteil zum BzG BW

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13.10.2017 IGM-Seminar "ArbeitnehmerInnen in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft" ist eine Maßnahme der politischen Weiterbildung gem. § 1 Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW)

Das LAG Baden-Württemberg hat die Klage eines Arbeitnehmers zu o.g. Seminar bestätigt.

Die Urteilsgründe im Überblick:

Formal: "Die Vereinbarung der Parteien, in Anspruch genommene Gleitzeit und in Anspruch genommener Erholungsurlaub gegebenenfalls später nach Klärung der Rechtslage durch die Gerichte unter Verrechnung des gesetzlichen Freistellungsanspruchs zu vergüten, ist rechtlich zulässig." Dadurch ist "Der Arbeitgeber ... nicht gezwungen die Freistellung abzulehnen. Der Arbeitnehmer muß sie nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu erreichen suchen." (BAG 9.2.1993, 9 AZR 648/90 - Rn. 17 juris)

Der Antrag ist korrekt auch wenn 6 Tage (Sonntag - Freitag) beantragt wurden. "Dieser Antrag ist als empfangsbedürftige Willenserklärung jedoch auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mußte." (allgemeine Meinung, z.B. Palandt-Ellenberger 76.Aufl. 2017, § 133 Rn. 9). Im Übrigen sei die 5 tägige Dauer des Seminars auch dem beigefügten Themenplan zu entnehmen gewesen.

Die Bildungsmaßnahme war auch der Allgemeinheit gem. § 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW zugänglich gewesen.

"Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm .... Er muß außerdem so verlautbar sein, daß auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 21.Juli 2015 - 9 AZR 418/14 -Rn. 29 juris) ... Die Information über das Internet ist anerkannt, gebräuchlich und gewährleistet eine allgemeine Zugänglichkeit (BAG 21.Juli 2015 - 9 AZR 418/14 -Rn. 31 juris)"

"Der Zugänglichkeit für jedermann steht nicht entgegen, daß das Seminar auch als geeignet iSv § 37 Abs. 7 BetrVG gekennzeichnet gewesen ist. Die Veranstaltung war weder als Spezialschulung für Betriebsräte ausgeschrieben, noch wurden betriebsverfassungsrechtliche Fragen im engeren Sinne behandelt." (BAG 21.Juli 2015 - 9 AZR 418/14 -Rn. 34 juris)

"Auch die Gesamtkosten ... stehen einer Jedermannzugänglichkeit nicht entgegen. ...Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lernmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen."

Nur wegen dieses Punktes wurde die Revision zugelassen, weil SWM den Hinweis darauf machte, dass mit der Kostenübernahme für IGM-Mitglieder die Nicht-Gewerkschaftsmitglieder ja die IGM-Mitglieder quersubventionieren würden!? Was das LAG davon inhaltlich denkt: "Die Rechtsansicht der Beklagten, dass das bezeichnete Seminar des Bildungsträgers durch Nicht-IG-Metall-Mitglieder subventioniert werde und dies gegen die negative Koalitionsfreiheit des Art. 9 GG verstoße, ist nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht richtig....werden allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer solchen Bildungsveranstaltung die anfallenden Kosten vom Bildungsträger in Rechnung gestellt. Bei Gewerkschaftsmitgliedern werden allerdings die Seminarkosten von der jeweiligen Gewerkschaft übernommen. Was dieser Sachverhalt mit der von Art. 9 GG umfassten negativen Koalitionsfreiheit zu tun hat, also dem Recht, aus einer Koalition auszutreten oder einer Koalition fernzubleiben, erschließt sich der Kammer nicht."

"Das Seminar entsprach den Themenbereichen des § 1 BzG BW (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BzG BW), weil es politische Weiterbildung im Sinne des § 1 Abs. 4 BzG BW zum Inhalt hatte." Der Gesetzgeber hat den durch andere Arbeitnehmerweiterbildungsgesetze geprägten Rechtsbegriff zur "politischen Weiterbildung" verwandt und außerdem liegt dem Ganzen das ILO-Abkommen Nr. 140 zugrunde, insbesondere die rechtlich verbindliche englische und französische Fassung.

Letzte Änderung: 12.10.2017