Geschichte zum Sonntag

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19.12.2021 Glück und Unglück

Ein Bauer lebte mit seinem Sohn in einem abgeschiedenen Dorf. Seine Kräfte ließen nach, und er galt als ein armer Mann und hatte nicht viel zu beißen. Sein Sohn war seine einzige Hilfe Tag und Nacht, und auf ihn konnte er sich verlassen.

Eines Tages ging er in den Wald, um Beeren zu sammeln, und als er zurückkehrte, brachte er ein Wildpferd mit, welches er eingefangen hatte.

"Oh, welch ein Glück", riefen seine Nachbarn aus. Nun kann er das Pferd zähmen und vor den Pflug spannen, Getreide anbauen, und er wird Brot die Fülle haben. Der Bauer aber schüttelte den Kopf: "Ob das ein Glück ist, weiss ich nicht. Die Zeit wird es herausbringen."

Am nächsten Tag sprach der Sohn: "Vater, ich bin stark und kräftig, lass mich das Pferd einreiten, damit es uns zu guten Diensten sein kann." Der Sohn stieg in die Koppel und schwang sich auf das Pferd. Doch dieses bäumte sich auf und warf ihn ab und rannte fort. Der Sohn schrie laut auf. Er hatte sich beim Fall ein Bein gebrochen.

"Oh, welch ein Unglück", riefen seine Nachbarn aus. Nun hat der Bauer sein Pferd verloren, und sein Sohn muss im Hause liegen, bis er wieder gesund ist. Der Bauer aber schüttelte wiederum den Kopf: "Ob das ein Unglück ist, weiss ich nicht. Die Zeit wird es herausbringen."

Am nächsten Tag kamen Soldaten des Grafen ins abgeschiedene Dorf, und der Ausrufer verkündete: "Der Graf führt Krieg gegen den König, und er hat bestimmt, dass alle rüstigen Männer eingezogen werden, um gegen den König mit seiner Übermacht zu Felde zu ziehen..."

"Oh, welch ein Glück", dachte der Bauer, schloss seinen Sohn fest in die Arme, und sie weinten vor Freude die ganze Nacht.

Letzte Änderung: 19.11.2021